Die Werke Hermann Hesses haben unzählige Menschen zutiefst berührt. Über den Ost-West-Brückenschlag eines bewegten Mannes
Hesse war und ist für Millionen von Menschen weltweit eine Kultfigur. Für die einen, weil sie ihn als Individualisten verehren, der allen Widerständen zum Trotz seinen eigenen Weg ging. Für die anderen, weil sie in der Philosophie, die sich in seinen Werken widerspiegelt, den Sinn des Lebens entdecken, nach dem sie schon immer gesucht haben. Kurz formuliert, lautet Hesses Botschaft: Sei du selbst! Die Suche nach dem wahren Selbst beschäftigt die Menschen früher wie heute. Hesse hat einen Weg aufgezeigt, der zu allen Zeiten gegangen werden kann. Darin liegt die Universalität und Zeitlosigkeit seiner Werke.
Auch für mich war Hermann Hesse gewissermaßen mein erster „Guru“. Allerdings war mir das noch nicht wirklich klar, als ich mit sechzehn zum ersten Mal Siddhartha las, ein Buch, das mich total begeisterte und mir das Gefühl vermittelte, in einer fragwürdigen Welt endlich zu Hause angekommen zu sein. Die Wirkung dieser Lektüre war nachhaltig, der Geist Buddhas und Indiens hatten mich angeweht und seither im Grunde nie mehr verlassen. Ähnlich scheint es Millionen Menschen weltweit ergangen zu sein, denn Hesses Bücher verkauften sich in Millionenauflagen und sind auch heute nach wie vor aktuell.
Siddhartha , das „Glaubensbekenntnis“ Hesses, beschreibt allegorisch den Lebensweg des historischen Gautama Buddha vom Verlassen seines Elternhauses, der langen Suche in der Welt, bis hin zu seiner Erleuchtung. 1922 erschien das Buch beim S. Fischer Verlag in Berlin und trat von dort aus seinen Siegeszug in die Welt an. Dieser vollzog sich allerdings nicht linear, sondern verlief wellenförmig. Nach jahrelangen großen Erfolgen, 1946 wurde Hesse mit dem Nobel-Preis geehrt, gerieten seine Bücher in den 60er Jahren in Deutschland allmählich in Vergessenheit. Hesse galt jetzt als verstaubter, altmodischer Kauz.
Die Renaissance seiner Werke vollzog sich über den Umweg Amerika. Dort wurde Hesse in den 60er Jahren als „Prophet der Jugend und ein Guru des jungen Amerika“ gefeiert. Die Beatgeneration nahm ihn genauso als Gallionsfigur wie die Drogenszene oder die Veteranen des Vietnamkriegs. Rebellion, Individualität und Freiheit waren angesagt, und Hesses literarische Figuren verkörperten diese Werte. So waren in den USA bis 1973 acht Millionen seiner Bücher verkauft worden, davon ca. drei Millionen Exemplare des […]