Heute zum Muttertag ist es wieder mal an der Zeit, die Mütter hochleben zu lassen. Und sie dazu zu inspirieren, sich selbst mehr zu lieben als alle andere. Egoismus?! Nein. Auf keinen Fall. Denn wer sich selbst liebt, lernt für sich selbst einzustehen, die eigenen Bedürfnisse zu formulieren und innere Klarheit zu entwickeln. Die beste Voraussetzung, um glückliche Beziehungen mit sich selbst und anderen zu führen. In diesem Artikel lernst du die drei Elemente vom Selbstmitgefühl besser kennen und wir zeigen dir Übungen, die dir helfen, kraftvolles Selbstmitgefühl zu praktizieren.
Es ist Muttertag: Schenk dir mehr Selbstmitgefühl
Passend zu dem Thema ist gerade das neue Buch von Kristin Neff, Professorin für Psychologie und Persönlichkeitsentwicklung, erschienen. Es kommt genau zum richtigen Zeitpunkt: Ein wunderbares Geschenk zum Muttertag! Und ein wertvolles Plädoyer an alle Frauen, mehr Selbstmitgefühl zu entwickeln.
Kristin Neff: Ein Appell für mehr Selbstmitgefühl
In ihrem Buch beschreibt Kristin Neff, wie es vielen Frauen geht: „Wir haben die Schnauze voll, sind wütend, bereit für Veränderung. Traditionelle Geschlechterrollen und Machtstrukturen in unserer Gesellschaft hindern uns immer noch daran, uns so zu zeigen, wie wir wirklich sind – und das schadet uns sowohl persönlich als auch politisch. Es ist uns erlaubt, sanft, fürsorglich und zärtlich zu sein. Sind wir hingegen zu kraftvoll – zu wütend oder zu vehement -, löst das Angst und einen Schwall von Beschimpfungen aus (Hexe! Giftspritze! Drache! Furie! – um nur einige der harmloseren Diffamierungen zu nennen). Aber um die Dominanz der Männer zu brechen und endlich die uns zustehenenden Plätze an den Tischen der Macht in Beschlag zu nehmen, müssen wir auf unserem Recht, kraftvoll zu sein, bestehen!“1
Ein wundervoller Appell! Zum Glück ruft Neff nicht zum Kampf mit Waffen gegen die Welt auf. Sondern sie tut etwas, was sehr weise klingt: Wenn wir Selbstmitgefühl entwickeln, wird daraus automatisch eine enorme innere Kraft entstehen. Sie wird uns darin unterstützen, für uns selbst einzustehen. Selbstmitgefühl stärkt unser Rückgrat. Sie schenkt uns Klarheit und ein offenes Herz – für uns selbst und für die Welt.
Selbstmitgefühls heißt auch, die eigenen Schwächen liebevoll zu erkennen
Selbstmitgefühl meint, dass wir uns selbst mit der gleichen Liebe, Offenheit und Wärme begegnen, wie wir es unserer besten Freundin gegenüber tun.
Es bedeutet aber auch, dass wir uns unsere eigenen Fehler eingestehen, die eigenen Schwächen erkennen und unsere eigenen Erfahrungen in einen größeren Zusammenhang stellen. Damit ist gemeint, dass wir nicht nur um uns selbst kreisen. Tun wir dies, laufen wir Gefahr, dass wir egozentrisch und narzisstisch werden. Wahren wir jedoch eine gesunde Distanz uns selbst gegenüber und setzen wir unsere Probleme mit denen anderer ins Verhältnis, werden wir unser kleines, verletztes Ich hinter uns lassen und unseren Platz in der Welt erkennen.
Die drei Elemente des Selbstmitgefühls nach Kristin Neff
Für Neff baut gesundes Selbstmitgefühl deshalb auf drei Säulen auf: Achtsamkeit. Geteilte Menschlichkeit. Freundlichkeit. Auch wenn diese Aspekte verschieden sind, so gehören sie doch zusammen. Nur dann, wenn wir alle drei gleichermaßen in unser Leben integrieren, entwickeln wir eine gesunde Haltung uns selbst gegenüber.
Achtsamkeit als Säule des Selbstmitgefühls
Achtsamkeit bedeutet, dass wir uns selbst mit einem offenen, wohlwollenden und wertfreien Gewahrsein zuwenden. Wir nehmen an, was ist. Wir unterdrücken nichts, laufen auch nicht vor ihm weg, indem wir uns in einer Geschichte verlieren, die zu einem Gefühl gehört. Wir erkennen klar, wann wir einen Fehler gemacht haben, wann wir gescheitert sind oder wann uns etwas gelungen ist. Wir wenden uns allem zu, was sich zeigt: Schmerz, Angst, Traurigkeit, Wut, etc. Alles, was ist, darf sein.
Wie ein klarer See spiegelt Achtsamkeit alles wider, was geschieht.
Geteilte Menschlichkeit: Für das Selbstmitgefühl ist es wichtig, dass wir unsere eigene Menschlichkeit erkennen. Wir sehen, dass wir mit anderen verbunden sind. Und genau diese Verbundenheit unterscheidet Selbstmitleid von Selbstmitgefühl. Auch wenn Mitgefühl nach innen gerichtet ist, so wird uns durch das Gefühl der Verbundenheit bewusst, dass alle Menschen unvollkommen sind. Keine Frau ist perfekt. Wir alle sammeln unsere Erfahrungen. Wir alle dürfen Fehler machen. Wenn wir erkennen, dass es anderen genauso geht, dann hat das eine enorm erleichternde Wirkung auf unser Selbstwertgefühl und auf unser Mitgefühl. Der eigentliche Schmerz entsteht durch ein Gefühl der Kränkung. Dem Gefühl, alleine zu sein. Wir fühlen uns abgeschnitten von anderen. Und das tut weh.
Wie heißt es so schön in der Evolutionsbiologie? Ein einsamer Affe ist ein toter Affe.
Freundlichkeit meint den Wunsch, Leiden zu lindern. Dieser fürsorgliche Drang äußert sich als unmittelbarer Impuls, helfen zu wollen. Er ist die Grundlage für eine offene, unterstützende Haltung, die wir uns selbst gegenüber entwickeln, während wir durch das Leben gehen. Geht es uns schlecht, haben wir eher die Tendenz, uns mit Vorwürfen zu bombardieren. Das führt erfahrungsgemäß aber zu noch mehr Leid. Reagieren wir hingegen wohlwollend und menschlich, entstehen Gefühle von Fürsorge und Liebe.
Freundlichkeit uns selbst gegenüber sorgt dafür, dass wir Ressourcen entwickeln, die uns darin unterstützen, leichter durch schwere Zeiten zu gehen.
Welcher Effekt stellt sich ein, wenn wir Selbstmitgefühl praktizieren?
Integrieren wir diese drei Aspekte in unser Leben, kultivieren wir mehr Selbstmitgefühl für uns. Und das führt – wie viele Forschungen laut Neff belegen – erwiesenermaßen zu mehr Optimismus, Zufriedenheit und Hoffnung. Und es sorgt dafür, dass Ängste, Depressionen, Stress und Sorgen abnehmen.
Praktische Übungen, um dir selbst mehr Mitgefühl zu schenken
Berühre dich selbst
Manchmal können uns starke Gefühle überfluten. In solchen Momenten, wenn uns unsere Freundin oder Herzensmensch sofort körperlich berühren würden, so können wir uns selbst durch eine sanfte Berührung Mitgefühl schenken. Folgende Berührungen können dich unterstützen:
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Manchmal braucht es aber auch eine kraftvolle Berührung. Diese könnte folgendermaßen aussehen:
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Kraftvolles Selbstmitgefühl praktizieren
Manchmal brauchen wir eine zärtliche Berührung von uns selbst, manchmal einen liebevollen Zuspruch, wenn es uns so richtig schlecht geht. Und dann kann es aber auch sein, dass wir uns kraftvoll positionieren müssen, um uns selbst zu schützen. Kraftvolles Selbstmitgefühl hat eine gewisse Yang-Qualität. Es ist aktiv und stärkend, schützend und Grenzen ziehend. Es könnte sich so gestalten:
Positioniere dich:
Wenn es dir möglich ist, steh auf und nimm eine Haltung ein, die im Kampfsport als „Grundstellung“ bezeichnet wird. Die Füße stehen hüftbreit auseinander, die Knie sind leicht gebeugt. Kippe das Becken leicht nach vorne, sodass du das Gefühl hast, gut in deiner Mitte zu stehen. Der Schwerpunkt dieser Haltung ist im Bereich der Körpermitte angesiedelt, sodass du stabil und ausbalanciert stehst. Aus dieser Situation kannst du jederzeit gut und souverän handeln, ohne deine eigene Mitte zu verlieren.
Schütze dich:
Strecke deinen Arm kraftvoll aus, so als würdest du jemand dadurch eine Grenze aufzeigen und sage klar und deutlich „NEIN!“. Wiederhol diese Geste drei Mal.
Nimm wahr, ob sich die Energie dieser Bewegung vertikal an der Wirbelsäule auf und ab bewegt. Nimmst du ein Gefühl von Stärke, Macht oder Mut wahr? Durch diese Geste verkörperst du eine mutige und handlungsklare Haltung.
Gib dir Gutes:
Streck deine Arme aus und stell dir vor, als würdest du alles einsammeln, was dich stärkt und schützt. Lege deine Hände dann an deinen Solarplexus, dein Energiezentrum. Während du die Hände an dein Zentrum legst, sage „JA!“. Mach diese Geste drei Mal und stell dir vor, dass du alles sammelst, was dir guttut und dich stärkt.
Nimm wahr, wie dieses „JA!“ deinen Körper stärkt. Manchmal kann es sich befremdlich anfühlen, wenn wir uns selbst ein klares „JA!“ zugestehen. Aber mit der Zeit wirst du wahrnehmen, wie gut es tut, wenn du eine erfüllte, ausbalancierte Authentizität an den Tag legst.
Stärke durch Selbstmitgefühl dein Frausein
Wenn du diese Übungen jeden Tag machst, und das am besten über einen längeren Zeitraum, wirst du immer deutlicher spüren, dass du mehr Selbstmitgefühl und Selbstwert entwickelst. Eine wunderbare Möglichkeit, dein Frausein zu stärken. Je mehr Frauen ein klares „JA!“ zu sich selbst sagen, desto eher besteht die Chance, dass Kriege ein Ende nehmen.
1 Kristin Neff: Kraftvolles Selbstmitgefühl, S. 10
Zum Weiterlesen:
Kristin Neff: Kraftvolles Selbstmitgefühl für Frauen. Klar für sich selbst einstehen, engagiert handeln und Erfüllung finden. Kailash Verlag. 2022
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