Dr. Hans H. Rhyner gilt als Pionier unter den europäischen Ayurveda-Spezialisten. Für YOGA AKTUELL legt er die ayurvedische Sichtweise auf das SPEZIAL-Thema dar.
INTERVIEW
YOGA AKTUELL: Was sagt der Ayurveda zur Bedeutung der Atemqualität?
Hans H. Rhyner: Richtiges Atmen unterstützt die Gesundheit, falsche Atmung wird Körper, Sinnesorgane und Psyche krank machen.
Gibt es bestimmte Krankheitsbilder, die mit den Atemgewohnheiten – z.B. mit zu flacher Atmung – in Verbindung stehen?
Im klassischen Ayurveda werden 14 verschiedene Körpersysteme (Srota) unterschieden. Im Gegensatz zur chinesischen Medizin, die organspezifisch diagnostiziert und therapiert, sieht Ayurveda größere Zusammenhänge und denkt eher systemisch. Die Pranavaha-Srota bilden eines der 14 geläufigen Systeme. Hier haben wir das Wort Prana, das jeder Yogapraktizierende kennt. Mit den Pranavaha-Srota sind aber nicht nur Atemorgane wie die Lunge gemeint, sie schließen auch Teile des Nervensystems sowie Mund- und Nebenhöhlen mit ein. „Srota“ bedeutet Hohlorgan und jede Art von Gefäß. „Vaha“ bezieht sich auf die Stoffwechselprozesse, die in diesen Hohlorganen stattfinden. So gesehen stehen diese Strukturen mit der Atmung in direkter Wechselwirkung. Eine flache Atmung kann durch nervliche Belastung verursacht werden. Umgekehrt kann eine durch die Atemorgane bedingte flache Atmung Anspannung verursachen.
Welcher Zusammenhang zeigt sich zwischen Atem und Gefühlen?
Wie eben aufgezeigt, besteht eine direkte Wechselwirkung zwischen dem Nervensystem und der Qualität des Atmens. Eine überall praktizierbare Methode zur Regulierung der Atemstrukturen (Pranavaha-Srota) ist eine leichte Massage (Akupressur) des regulierenden Talahrdaya-Marmapunktes in der Mitte der Handfläche. Marma sind Vitalpunkte, vergleichbar mit den Akupressurpunkten in der traditionellen chinesischen Medizin.
Inwiefern wird die Rolle der Atmung in den ayurvedischen Therapien berücksichtigt?
Ich führe vor und nach jeder physikalischen Therapie eine regulierende Atemübung mit den Klienten durch.
Wird auch mit dem yogischen Pranayama oder ähnlichen Atemübungen gearbeitet?
Die erwähnten Atemübungen sind selbstverständlich aus dem Yoga entlehnt.
Bitte nennen Sie uns einige Beispiele, welche Übungen bei welchem Krankheitsbild und für welchen Konstitutionstyp verordnet werden.
Nach dem Konzept von Ida, Pingala und Sushumna können yogische Atemübungen an die Konstitutionsbilder, aber auch an Indikationen angepasst werden. Kühlende Übungen für den Feuertypus Pitta oder bei Übersäuerung oder brennendem Gefühl, wärmende und beruhigende für den Äther-Wind-Typ Vata, erhitzende und stimulierende für den Wasser-Erde-Typus Kapha und erhaltende, wenn ein ausgeglichener Zustand vorherrscht.
Haben bestimmte Konstitutionstypen stärker mit schädlichen Atemmustern zu […]