Die entschleunigende Kunst des Brotbackens: Warum sie in vielerlei Hinsicht lehrreich und sogar transformierend ist, erzählt Lutz Geißler.
Wer glücklich sein möchte, backt ein Brot“, sagt Lutz Geißler, der überzeugt davon ist, dass Brotbacken uns in zufriedenere Menschen verwandeln kann. Dies ist das schlichte Glücksrezept, das sich hinter seinem noch schlichteren Rezept für einen Sauerteig verbirgt.
Immer mehr Menschen entdecken das „Zen“ des Brotbackens für sich, und so ist Backen „in“ und auf dem besten Weg, das Image eines Lifestyle-Hobbys hinter sich zu lassen. Mit ihrem Buch ca. 750 g Glück zeigen Brotexperte Lutz Geißler und Wortakrobatin Judith Stoletzky, wie Backen uns verändern kann und „wie es sich anfühlt, mit einem so liebes- und lebenshungrigen Wesen wie einem Sauerteig zusammenzuleben“, wie Judith es ausdrückt. Sauerteigrezepte sowie Anleitungen zur Herstellung und Vermehrung des Anstellgutes inklusive.
Der Guru im Schraubdeckelglas
Was macht das Brotbacken mit dem Bäcker? Indem er Parallelen zwischen zwei Lebewesen webt, die so unterschiedlich gar nicht sind – namentlich dem Brotlaib und dem Menschen –, gibt Bäcker Lutz Geißler Einblick in jene Weisheiten, die uns das Kneten zu lehren versteht. Denn für ihn, wie für viele andere, ist Sauerteigbrotbacken vor allem eines: pure Entspannung vom Alltag.
Die Lehren des Brotes
MUT steht am Anfang jeder Handlung. Der beste Zeitpunkt, mit dem Brotbacken zu beginnen, ist jetzt. Experimente mit dem richtigen Verhältnis der Zutaten oder der Wassertemperatur, Fehlschläge – all das sind Chancen, Vertrauen in den Lauf der Dinge zu entwickeln. Beim Brotbacken wie im Leben setzt man mit nur wenigen kleinen Handgriffen bzw. Worten etwas in Bewegung, das große Ausmaße annehmen kann.
LIEBE meint auch Hinwendung. Das Pflegen eines Sauerteigs wird nicht ohne Grund mit dem Halten eines Haustieres oder dem Großziehen eines Kindes verglichen. Auch der Teigling will regelmäßig gefüttert und umsorgt werden. Lutz Geißler rät dazu, ihm am besten gleich einen Namen zu geben. Und was einen Namen hat, gewinnt man automatisch lieb.
Die SINNLICHKEIT des Knetens, der Geruch von frischem Brot in der Luft und schließlich der unwiderstehliche Geschmack im Mund – einer, der bäckt, gerät gerne mal in einen wohltuenden Flow und vergisst alles um sich herum. Ähnlich wie beim Yoga verstummen die Gedanken, und es entsteht Raum für das Wesentliche. Man ist hellwach […]