Eine chronische Erkrankung ist ein Fulltime-Job für Betroffene – rund um die Uhr ist
sie da, 24/7. Anti-Stress-Methoden können beim Krankheitsmanagement ein wichtiges Werkzeug sein, um den Alltag zu erleichtern. Ein Beispiel: leben mit Diabetes.
Ich bin da, ob du willst oder nicht. Chronisch kranke Menschen kennen die Bedeutung dieser Worte. Sie wissen, was es heißt, 24 Stunden, 7 Tage die Woche mit einer Krankheit zu leben, diese zu managen und sie anzunehmen. Ab dem Moment der Diagnose gibt es meist keinen Urlaub mehr von diesem treuen Begleiter. So erfahren es auch Frauen, Männer und Kinder mit Diabetes. „Viele wissen gar nicht, was Menschen mit Diabetes leisten“, sagt die klinische Psychologin und Gesundheitspsychologin Dora Beer. Jeder Blutzuckerwert bedarf einer Reflexion, und jede Mahlzeit erfordert Kopfarbeit, da die Broteinheiten und der Insulinbedarf berechnet werden wollen. Der Diabetes verlangt die Integration in den Tagesablauf und in jeden Lebensabschnitt: Er erlebt die Einschulung und die erste große Liebe mit, spielt eine Rolle im Job, im Urlaub, beim Konzert der Lieblingsband, im Schwimmbad, in den Wechseljahren, ja sogar beim Relaxen. Er erinnert regelmäßig daran: Ich bin da, ob du willst oder nicht.
Diese Dauerbelastung hinterlässt Spuren. Viele Diabetiker machen Bekanntschaft mit dem Diabetes-Burnout. Dora Beer ist auf Psychodiabetologie spezialisiert; zu ihren Klienten gehören Diabetiker, bei denen sich aufgrund ihrer Krankheit Erschöpfungssymptome zeigen. „Besonders gefährdet sind Menschen, die von Haus aus zum Perfektionismus tendieren“, erzählt die Wiener Psychologin. Schlafstörungen, Depressionen, Ängste und Süchte können mögliche Folgen sein. Dem will Dora Beer gemeinsam mit ihren Klienten entgegenwirken, unter anderem mit Hilfe von Stressbewältigungsstrategien und Entspannungsverfahren. „Es gilt gemeinsam mit dem Klienten eine geeignete Methode zu finden“, weiß sie. Dies können die progressive Muskelentspannung, Achtsamkeitsübungen oder kognitive Interventionen wie das Erkennen und Verändern stressverschärfender Gedanken und Haltungen sein – wie beispielsweise „Ich muss das alleine schaffen“ oder „Ich darf keine Fehler machen“. „Oft führt ein Spaziergang im Wald schon zu mehr Entspannung.“ So individuell wie jeder Mensch ist, so individuell sind die Bedürfnisse der Diabetiker und die Krankheitsverläufe. Zusammengefasst gehe es jedoch bei allen um eines: um die Annahme der Krankheit und um eine gute Selbstfürsorge. Gegen die Erkrankung zu arbeiten, bedeutet nur noch mehr Anstrengung. „Der Diabetes gehört zu deinem Leben, aber er ist nicht das […]