Der Winter steht vor der Tür. Und damit wieder verschiedenste Infektionskrankheiten. Zum Glück bietet der Yoga zahlreiche Übungen, die dein Immunsystem unterstützen, um gesund durch die kalte Zeit zu kommen. Hier erfährst du, wie du dich vor allem mit Pranayama und bewusster Atmung stärken kannst.
Bewusste Atmung für ein starkes Immunsystem
Das A und O eines starken Immunsystems ist eine bewusste Atmung. Sie ist auch die Basis für einen gut funktionierenden Organismus und einen klaren Geist. Sie zählt zu den autonomen Vorgängen des Körpers. Damit gemeint ist, dass wir unsere Atmung normalerweise nicht bewusst steuern. Und das ist auch gut so, weil sie so unser Überleben sichert. Sie passt sich den individuellen Lebensumständen an und sorgt dafür, dass wir das Ein- und Ausatmen nicht vergessen. Der Nachteil: Sie passt sich auch in stressigen Zeiten an und das kann fatale Folgen haben. Denn besonders in Zeiten, die uns fordern, wird unsere Atmung flacher, was unser Nervensystem in den Kampf-oder-Flucht-Modus versetzt. Genau in solchen Momenten sollten wir eigentlich darauf achten, dass wir unsere Ausatmung verlängern, um innerlich ruhiger und fokussierter zu werden.
Gerade in angstmachenden Momenten atmen wir oft flacher oder hyperventilieren, was dazu führt, dass wir im ungünstigsten Fall vor der eigenen Atmung Angst bekommen. Aber zum Glück können wir dem bewusst begegnen, indem wir bewusst mit der eigenen Atmung arbeiten.
Millionen Lungenbläschen für deine Gesundheit
Ich persönlich bin immer wieder zutiefst fasziniert über den Atemvorgang. Wusstest du, dass insgesamt 300 Millionen Alveolen dafür sorgen, dass der Sauerstoff, den du über die Atemluft einatmest, ins Blut transportiert wird? Danach kommt es bei der sogenannten inneren Atmung in den Zellen zur Verbrennung von Nährstoffen. Auf diese Weise wird die Energie erzeugt, die sämtliche Körperfunktionen benötigen, um unseren Körper am Leben zu halten. Durch diesen Austausch wird unter anderem Kohlendioxid produziert, den wir über die Ausatmung wieder ausscheiden und an die Atmosphäre abgeben. Wir können die Abgabe der Schadstoffe maßgeblich unterstützen, wenn wir uns viel an der frischen Luft aufhalten und dort klare, frische und reine Luft bewusst ein- und ausatmen.
Bildlich gesprochen ist jede Atemübung an der frischen Luft wie ein kleiner Hausputz. Und umgekehrt: Je mehr du dich in geschlossenen Räumen aufhältst oder an solchen Plätzen bist, an denen die Luft nicht rein ist, desto mehr Schadstoffe lagern sich in deinen Zellen ab.
Der Grund, warum du durch die Nase atmen solltest: reinigende Nasenatmung
Du kannst die Reinigung der Luft dadurch unterstützen, indem du sanft und langsam durch die Nase ein- und ausatmest. In der Nase wird die Luft mithilfe einer sehr sensiblen Schleimhaut und Flimmerhärchen erwärmt, befeuchtet und grob gereinigt. Auch in den Bronchien, zu denen die Luft über die Nase, den Rachenraum und den Kehlkopf geleitet wird, befindet sich eine Schleimhaut, auf der ebenfalls feine Flimmerhärchen sitzen und Staubpartikel, Bakterien und andere Schadstoffe Richtung Luftröhre leiten und so die Lunge reinigen. Abschließend gelangt die Luft zu den Lungenbläschen. Hier findet der eigentliche Gasaustausch statt. Dabei führt ein dichtes Netz von feinsten Blutgefäßen der Lunge sauerstoffarmes Blut aus allen Regionen des Körpers zu und leitet sauerstoffreiches Blut zurück in den Kreislauf.
Bewusstes Atmen: Ein Geschenk an dich selbst
Mit jedem achtsamen Atemzug machst du dir selbst ein großes Geschenk. Du versorgst deinen Körper mit frischer Energie. Wenn du dann noch länger ausatmest, entspannst du darüber dein ganzes System. Und mal ganz ehrlich: Von Entspannung kann man in diesen verrückten Zeiten nie genug bekommen. Es reicht schon ein Atemrhythmus von 4:8. Ist deine Ausatmung länger als deine Einatmung kommt es automatisch zu einer sogenannten Entspannungsreaktion, bei der der Parasympathikus, der Gegenspieler des sympathischen Nervensystems, aktiviert wird.
Das passiert bei einer verlängerten Ausatmung
Wenn du die Verlängerung der Ausatmung über einen längeren Zeitraum bewusst praktizierst, wird die Biochemie deines Körpers langfristig positiv verändert und die negative Auswirkung des Stresshormons Noradrenalin auf Blutdruck und Herzfrequenz werden gebremst. Aber auch mental kannst du sehr von Atemübungen profitieren, da viele Atemübungen dir dabei helfen, Ängste abzubauen. Das hängt damit zusammen, dass dein Atemzentrum im Hirnstamm in einem Bereich namens Formatio reticularis liegt. Diese Region reguliert unter anderem unsere Konzentrationsfähigkeit, das Schlafen und Wachen. Wenn du deine Aufmerksamkeit also ganz bewusst auf die Durchführung der Pranayama-Übung lenkst, wirst du auch im Alltag in der Lage sein, deinen Geist zu sammeln und dich auf die wesentlichen Dinge konzentrieren. Je konzentrierter wir im Hier und Jetzt sind, desto weniger kann unser Geist uns auf der Nase herumtanzen.
Wie effektiv und umfassend die Übungen dich unterstützen, wirst du merken, wenn du regelmäßig übst. Dadurch wirst du auch in kritischen Situationen und stressigen Augenblicken bewusster atmen und schneller entspannen.
Lebenselixier einatmen
Was passiert, wenn uns der Sauerstoff ausgeht, kann ich sehr schön an einem Teelicht beobachten. Stelle ich ein Glas darüber geht die Flamme nach wenigen Sekunden aus. Das Licht erlischt. So verhält es sich auch mit uns, wenn wir auf frische Luft verzichten: Das innere Licht erlischt und auch der Körper verliert seine Funktionsfähigkeit. Das Beispiel mit dem Teelicht ist ein Zeitraffer, an dem wir deutlich erkennen können, was passiert, wenn wir nicht genügend Sauerstoff bekommen.
Nimm dir jeden Tag genug Zeit, Pranayama zu praktizieren oder bewusste Atemzüge zu nehmen. Nach Möglichkeit führe sie auch an der frischen Luft, auf einem Balkon, in einem Garten oder noch besser in einem Park oder Wald aus. Je mehr Natur, desto besser. Wissenschaftliche Forschungen haben gezeigt, dass Kiefern und Tannen Stoffe ausdünsten, die die Produktion von Abwehrkräften unseres Immunsystems anregen und das Nervensystem beruhigen. Weitere Forschungen haben gezeigt, dass Waldluft unter anderem so gut für unsere Gesundheit ist, weil sie „elektrisiert“ ist. Bäume besitzen die Fähigkeit, radioaktive Elemente aus dem Grundwasser nach oben zu ziehen und auszuschütten. Diese zerfallen an der Luft und laden einzelne Luftteilchen negativ auf. Die Untersuchungen, wie viele positive Prozesse genau dadurch ausgelöst werden, sind noch nicht abgeschlossen. Aber klar ist: Menschen, die Waldluft einatmen, verfügen über eine bessere Wundheilung und sind glücklicher als solche, die den ganzen Tag in geschlossenen Räumen verbringen.
Pranayama – Immunbooster zum Atmen:
Übung 1: Nähre dich mit Lebensenergie
Lasse dich an der frischen Luft nieder. Atme ein paar Mal bewusst durch die Nase ein und durch den Mund aus. Strecke bei der Ausatmung die Zunge weit raus und bewege den Bauchraum Richtung Wirbelsäule. Versuche, deine Lunge so gut wie möglich zu leeren, ohne Druck auszuüben. Stelle dir dann vor, dass du über die Einatmung frische, gesunde, stärkende, klare Luft einatmest. Leite sie bewusst in die Lunge. Du kannst deine Hände oberhalb des Bauchnabels legen und die Einatmung auf diese Weise unterstützen. Stell dir weiter vor, wie durch diese Einatmung die frische, stärkende, klare und wohltuende Energie in jede Zelle deines Körpers strömt. Jede Zelle wird gereinigt. Mit der Ausatmung scheidest du alte, verbrauchte Energie aus. Hier kannst du dir vorstellen, dass du graue oder schwarze Luft ausatmest. Wiederhole diese Übung so lange, bis du das Gefühl hast, wach und klar zu sein. So lange, bis du spürst, dass dein Körper mit der stärkenden Lebensenergie aufgeladen ist. |
Übung 2: Lippenbremse bei Luftnot
Immer mehr Menschen leiden heute unter Luftnot. Dabei brauchen wir doch gerade in der heutigen Zeit einen langen Atem, um gelassen durch die Krisen zu gehen, mit denen wir gerade konfrontiert werden.
Wenn du auf deiner Yogamatte sitzt, stelle deine Beine auf und beuge deinen Oberkörper über deine Beine. Auf diese Weise können Bereiche deiner Brustmuskulatur besser aktiviert werden und deinen Atemprozess unterstützen. Atme dann bewusst in deinen Rücken hinein. Stell dir dabei vor, wie der Brustkorb geweitet wird und auch die Zwischenrippenmuskulatur gedehnt wird. Lass bei dieser Übung die Ausatmung etwas länger werden als die Einatmung. Manchmal ist es unterstützend, die Atemzüge zu zählen. Atme auf 4 ein und auf 8 aus. Solltest du gerade das Gefühl haben, kurzatmig zu sein, atme auf 3 ein und 6 aus. Hast du hingegen das Gefühl, dass deine Atemkapazität größer ist, kannst du auf 6 einatmen und auf 10 ausatmen. Lote hier deine persönliche Grenze aus. Du kannst diese Übung auch zwischendurch im Verlaufe eines Tages ausführen. Setz dich dafür auf einen Stuhl und beuge den Oberkörper nach vorne. Stütz dich mit den Ellenbogen oder Händen auf den Knien ab und atme so bewusst in den Rücken und deine Flanken hinein. In einem zweiten Schritt kannst du die Lippen bei der Ausatmung leicht zusammenpressen, so als würdest du gegen einen Widerstand ausatmen. Dadurch wird die Luft in der Lunge gestaut und die Bronchien offengehalten. Auch bei dieser Übung ist es unterstützend, wenn du dir vorstellst, dass du heilsame, stärkende, klare und reinigende Energie einatmest und du krankmachende Viren, Schmutz und negative Energie ausatmest. |
Übung 3: Die Mondatmung
Erwiesenermaßen stärken wir unser Immunsystem durch einen guten und tiefen Schlaf. Die Mondatamung (Chandra Bhedana) ist eine wunderbare und wirksame Pranayama-Übung, die dich nicht nur bewusst mit frischem Sauerstoff versorgt, sondern dich auch darin unterstützen kann, besser zu schlafen.
Öffne dein Fenster und schließ deine Augen. Nimm das Vishnu-Mudra ein, indem du deinen Daumen, Ring- und kleinen Finger streckst und deinen Zeige- und Mittelfinger einrollst. Verschließ dann das rechte Nasenloch mit deinem Daumen. Atme dann sanft und gleichmäßig über das linke Nasenloch vier Sekunden ein. Verschließe dann mit dem Ringfinger das linke Nasenloch und mache eine kurze Atempause von acht Sekunden. Öffne danach das rechte Nasenloch, indem du den Daumen löst, und acht Sekunden lang ausatmest. Wiederhole diesen Vorgang 7- oder 14-mal. Stell dir auch hier vor, dass du deinem Körper ganz bewusst frische, stärkende und klärende Energie zuführst. Mit der Ausatmung kannst du alles gehen lassen, was dich im Verlauf des Tages gestresst, verärgert oder geängstigt hat. Dadurch befreist du zusätzlich deinen Geist von störenden und lähmenden Energien. |
Übung 4: Einfache Mondatmung
Bei dieser Variante atmest du ausschließlich über das linke Nasenloch ein und aus. Das rechte Nasenloch bleibt die ganze Zeit verschlossen. Atme hier ebenfalls sanft und gleichmäßig mindestens eine Minute ein und aus. Auch diese Übung hat eine sehr beruhigende Wirkung. Sie wird besonders erfolgreich bei Unruhe, Schlaflosigkeit und Nervosität praktiziert und stärkt durch den guten Schlaf dein Immunsystem. |
Immunbooster Pranayama
Integriere Atemübungen in dein Leben und mache sie zu einer positiven täglichen Gewohnheit. Sie stärken dein Immunsystem und unterstützen dich darin, entspannt und gelassen durch diese wilden Zeiten zu kommen.
Weitere Artikel zum Thema Pranayama:
- Der Pranayama-Effekt
- Pranayama-Reihe: Das Herz des Yoga – Teil 1
- Dr. Ralph Skuban über Pranayama als das Herz des Yoga
Zum Weiterlesen:
Doris Iding: Achtsam in drei Atemzügen. Irisiana Verlag 2020