Heil(ung) für eine verwundete Welt: Wie wir durch die Beziehung zu Gott werden, wer wir in Wahrheit sind – über die drei Dimensionen der Christusliebe.
Wir alle kennen die eindrücklichen Bilder, die uns aus dem Christentum überliefert sind und die uns in zahllosen Gemälden begegnen: Johannes, der Lieblingsjünger, wie er eng an die Brust Jesu geschmiegt ist. Veronika, die dem kreuztragenden Jesus liebevoll das Gesicht mit einem Tuch trocknet. Maria Magdalena, die dem Auferstandenen begegnet und voller Sehnsucht die Hände nach ihm ausstreckt
Diese – nicht immer biblischen – Bilder haben sich tief in die Innenwelt des Christentums eingeprägt, als symbolhafte Momentaufnahmen einer innigen Christusliebe. Und doch sind uns diese Bilder und ein tiefes Verständnis dessen, was in vergangenen Jahrhunderten noch viel selbstverständlicher Christusliebe genannt wurde, nicht unmittelbar zugänglich. Das beginnt schon damit, dass der Begriff für uns heute eine Irritation enthält: Wer ist darin Subjekt und wer Objekt? Bezeichnet „Christusliebe“ die Liebe des Menschen zu Christus? Oder die Liebe Christi zum Menschen? Oder sogar noch etwas anderes?
In der mystischen Tradition des Christentums können wir drei Aspekte der Christusliebe erkennen. Wenn wir diese skizzieren, stellen wir fest, dass sich darin ein Transformationsweg offenbart, der auch heute noch hochaktuell und lebendig ist. Der uns einlädt, uns auf eine Denkungsart, Praxis und Haltung einzulassen, die uns als Menschen in der Welt tief erschüttern und verändern können.
Die Liebe Christi zu den Menschen
Der erste Aspekt der Christusliebe ist die Liebe Christi zu uns. Die christliche Überlieferung erzählt uns eine beispiellose Geschichte einer Gottheit, die herabsteigt, um im Menschen und unter den Menschen gegenwärtig zu sein.
Ich lade immer dazu ein, das weniger als historischen Tatsachenbericht oder als mythische Heldengeschichte zu lesen, sondern auch als symbolträchtige Mysterienerzählung, die auf zeitlose Weise innere Prozesse bebildert. Da steigt die Gottheit in die Welt der Menschen herab und bewegt sich in konkreten Lebensräumen, die sich historisch und kulturell zwar geändert haben mögen, die aber letztlich immer gleich sind: die Familie, die Partnerschaft, die Arbeit, die religiöse Institution, die politische Bewegung. Und Jesus begegnet uns da als ein Mensch, der gesellschaftliche und religiöse Tabus bricht, der eine Lehre und Botschaft zu den Leuten trägt, und der mit einer Radikalität, […]