Von der smarten Abhängigkeit zur natürlichen Freiheit.
„Der Brief ist ein unangemeldeter Besuch, ein unhöflicher Überfall“ – schrieb Nietzsche. Man merkt, dass er die Schrecken des Telefons noch nicht kannte. [… geschweige denn die des Smartphones.]
Zitat von Ulrich Erckenbrecht, 1999
Wer von euch kann sich noch an eine Zeit erinnern, als die digitale und virtuelle Revolution noch nicht unser Leben beherrschte? An eine Zeit, in der die einzige Möglichkeit, schriftlich miteinander zu kommunizieren, das Briefeschreiben war. An eine Zeit, in der man Bibliotheken aufsuchte, um sich in eine bestimmte Thematik zu vertiefen. An eine Zeit, in der das Telefonieren noch ein besonderes Ereignis war, wofür man sich extra Zeit nahm und durch das Telefonkabel an einen Ort gebunden war. An eine Zeit, als die gedruckten Zeitungen und die abendlichen Fernsehnachrichten die einzige Informationsquelle zu gesellschaftlichen, politischen und globalen Themen waren. An eine Zeit, in der man bei der Arbeit oder in der Freizeit durch kein Klingeln, Piepsen und Vibrieren unterbrochen wurde und in der man sich beim Warten weder digital ablenken ließ noch spontan kommunizieren konnte. Wer von euch erinnert sich noch an jene Zeit, als man sich nachts nicht vor strahlenden Geräten schützen musste, morgens nicht davon unhöflich geweckt wurde und untertags nicht ungefragt und unnötig gestört wurde.
Auch wenn ich meinem Leben dankbar bin, dass ich diese digitalfreie Zeit noch erleben durfte, so bin ich doch auch über die digitalen Erfindungen erfreut, die seitdem auf Erden und in meinem Alltag Einzug gehalten haben. Wenn ich mein tägliches Verhalten und das meiner Mitmenschen beobachte, dann ist mir aber auch bewusst, wie viel Disziplin und Weisheit es braucht, um sich von der virtuellen Revolution nicht völlig fremdsteuern zu lassen.
Disziplin und Weisheit
Disziplin beinhaltet die Qualität, nicht (nur) nach dem Lust-und-Laune-Prinzip durchs Leben zu wanken, sondern klar und fokussiert Ziele zu verfolgen, egal ob weltlicher oder spiritueller Natur. Denn „die Herrschaft über den Augenblick ist die Herrschaft über das Leben.“ (Marie von Ebner-Eschenbach)
Weisheit hat mit der Fähigkeit zu tun, Dinge gezielt zu nutzen, um selbstbewusster zu werden und um sein Leben bewusster zu gestalten, ohne von ihnen abhängig zu werden. Der Stoiker Cicero meinte […]