Grün oder grün gewaschen? Sinnvoll einkaufen in Zeiten von Klimapanik und Umweltschutz
Wer heute in einen ganz gewöhnlichen Supermarkt geht, den könnte leicht das Gefühl überkommen, dass sich in den letzten Jahren ein Bewusstseinswandel vollzogen hat, der Seinesgleichen in der Geschichte sucht. Ritter Sport zahlt pro quadratisch-praktischer Tafel Schokolade 1,4 Cent für Schulmaterial in Afrika, wer einen Kasten Krombacher Bier kauft, rettet einen Quadratmeter Regenwald, und Volvic, ein Hersteller von Mineralwasser, spendiert Brunnenwasser für die Sahelzone. Wenn auch andere Firmen nicht ganz so spendabel sind, so scheint sich doch bei vielen Herstellern ein Umdenken in Richtung Öko-, Natur-, und Umweltbewusstsein vollzogen zu haben: Lebensmittel und Produkte mit dem Label Bio soweit das Auge reicht; Bio-Kartoffeln bei Rewe, Ökomode bei H&M, eine Umweltzone beim Reiseveranstalter TUI, klimaneutrale Blumensträuße von Fleurop, Fairtrade-Kaffee bei McDonalds und auf der IAA so viele umweltfreundliche Autoprototypen, dass der Konsument das Gefühl hat, man verhindere durch Autofahren die Klimakatastrophe.
Die Zeiten, in denen man sogenannte „Ökos“ bereits auf 100 Meter Entfernung an Birkenstockschuhen, Leinenkleidern und leicht verbitterten Zügen um den Mund erkannt hat, sind lange vorbei. Heute macht sich eher ein anderer Trend bemerkbar: Wer nicht Bio isst, umweltfreundlich wohnt oder klimaschonend reist, ist out. Große Hollywoodstars, kleine TV-Sternchen, profitgierige Automanager, loyale Führungskräfte sind mittlerweile lautstarke Vertreter der Biowelle. Selbst unsere Politiker, ganz vorn an die Bundeskanzlerin, setzen sich für Umwelt- und Klimaschutz ein. Während Öko bei den meisten gut verdienenden Deutschen vor 20 Jahren noch als Schimpfwort galt, stehen Begriffe wie Bio, Umweltschutz und Öko heute viel eher für einen ethischen Grundsatz und die Aufforderung an jeden Menschen, sich der Verantwortung für die Welt und den Erhalt der Erde bewusst zu sein.
Bio beinhaltet heute aber auch den Wunsch, Unvereinbares ungeniert zusammenzubringen und auf nichts zu verzichten. Deshalb klingt Bio im Vergleich zu früher inzwischen nicht mehr nach Verzicht, sondern wird als eine Art Bereicherung verkauft. Gesundheit, Spiritualität, Umweltbewusstsein und Luxus – alles ist heute vereinbar, ohne dass der Konsument dabei auf irgendetwas verzichten muss. Sämtliche Lebensbereiche, unterschiedlichste Stile, diametral entgegengesetzte Überzeugungen und verschiedenste Formen des Genusses schmelzen unter dem Siegel Bio plötzlich zu einer neuen Ideologie zusammen. Und während Ökos früher als eine kleine Randgruppe der Gesellschaft eher mit lebens- und lustfeindlichen Asketen gleichgesetzt wurden, geht […]
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