Schon Hippokrates schätzte den Holunder, der in der Naturheilkunde und im Brauchtum einen hohen Stellenwert hat. Hier erfährst du Näheres über seine vielfältigen Qualitäten.
Der Holunderstrauch ist ein freundlicher Geselle. Gern schlägt er in der Nähe von Menschen Wurzeln – an Häusern, Wiesenrändern, Bahngleisen. Seine wunderschönen, betörend duftenden Blüten zeigen im Mai und Juni an, dass der Sommer naht. Besonders in dieser Phase strahlt er überbordende Fülle und Vitalität aus. Wenn seine Früchte im September reif sind, heißt dies, dass der Herbst kommt. Blüten und Früchte sind essbar, und sie sind Naturheilmittel. Früher wurden sogar die Blätter und die Borke für medizinische Zwecke verwendet. Es hieß: „Rinde, Beere, Blatt und Blüte, jeder Teil ist Kraft und Güte, jeder segensvoll.“ Der Holunder ist ein Wunder- und Wunschbaum, der in vieler Hinsicht etwas bietet: kulinarisch, medizinisch, ästhetisch und im Hinblick auf Brauchtum und Mythologie.
Auf Englisch heißt Holunder elder. Das gleiche Wort bedeutet „Ahn“/„Ahne“. Man könnte elderflower also einerseits mit „Holunderblüte“, andererseits mit „Ahnenblüte“ übersetzen, ein die Fantasie anregendes Gedankenspiel. Bei uns gibt es ebenfalls den Volksnamen „Elderbaum“. Man sagt auch Holder, Holler, Deutscher Flieder. Letzterer Name kann zu Verwirrung führen, denn beim weiß oder lila blühenden Flieder handelt es sich um eine ganz andere, nicht heilkräftige Pflanze.
Holunder gilt als Baum oder Busch der Göttin Hulda, Holda, Frau Holle, einer Lichtgöttin. Es wurde gesagt, wenn er beschnitten werden muss, solle man sich vorher bei ihm entschuldigen, sonst gäbe es Unglück. Andererseits sollte der Strauch fähig sein, eine Krankheit aufzunehmen und zu neutralisieren, wenn der oder die Kranke ihn berührte. Als Glückszeichen wurde es angesehen, wenn sich ein Holunderstrauch am Haus ausgesät hatte. Seine Nähe zum Haus sollte Gebärenden zu komplikationslosen Geburten verhelfen. Er galt als Schutzbaum der Sippe. Nicht nur mit Geburt, sondern auch mit Tod und Wiedergeburt wird er in Verbindung gebracht, denn der Holunder ist praktisch nicht kleinzukriegen. Wenn er anscheinend „hin“ ist, treibt er schon wieder aus. In Norddeutschland war es Sitte, dass der Schreiner einen frischen Holunderzweig schnitt, um damit bei einem Verstorbenen Maß für den Sarg zu nehmen. Der Fahrer des Leichenwagens hatte statt einer Peitsche einen Zweig vom Holunder in der Hand. Früher standen viele große Holunderbäume auf dem berühmten jüdischen Friedhof in Prag. In […]