Welche Ansichten zum Thema Sex gibt es innerhalb der unterschiedlichen Yogastile und wie wird Sexualität gelebt?
Vinyasa Flow Yoga, Kundalini Yoga, Sivananda Yoga, Luna Yoga, Ashtanga Yoga – historisch betrachtet, zählen all diese Yogastile zum Hatha-Yoga und sind damit Teil der tantrischen Revolution, die ca. ab dem 6. Jahrhundert nach Christi stattgefunden hat. Nach einer asketischen Phase, in der der Körper höchstens Mittel zum Zweck war, brachte Tantra ein neues Körpergefühl: ein Ja zum eigenen Körper, zum Genuss und zur Freude. Dementsprechend stehen grundsätzlich alle Formen des Hatha-Yoga dem Körper und der Sexualität positiv gegenüber, doch trotzdem gibt es in den verschiedenen Yogatraditionen unterschiedliche Ansichten und Ausrichtungsprinzipien zum Thema Sexualität.
Yoga als „Sex for one“
In der tantrischen Idee wird die Welt als göttliches Spiel polarer Kräfte gesehen, als Tanz von Werden und Vergehen, Mann und Frau, Einatmen und Ausatmen, oben und unten. In der Yogapraxis, ebenso wie in der sexuellen Vereinigung, kann das Spiel der Polaritäten besonders gut erlebt werden, denn beides ist eine sinnliche Praxis. „Viele Praktiker nennen Ashtanga Yoga‚ Sex for one’“, sagt Dr. Ronald Steiner. „In der Yogapraxis bewegen wir uns körperlich, energetisch, emotional und mental durch die Polarität dieser Welt.“ Der Sportmediziner und Experte für Ashtanga Yoga und seine Frau und Yogapartnerin Melanie Pillhofer haben sich bei einer vedischen Feuerzeremonie vor 13 Jahren das Versprechen gegeben, eine Partnerschaft zu leben, die von Achtsamkeit, Leidenschaft und Gelassenheit getragen ist. „Auf der Yogamatte lernen wir, durch Achtsamkeit, Leidenschaft und Gelassenheit als Individuum zu mehr Harmonie sowie innerer und äußerer Balance zu wachsen“, sagt Melanie Pillhofer. „Die gleichen Qualitäten sind nötig, um Raum für diese Harmonie in der Partnerschaft und Sexualität entstehen zu lassen. Daher wünschen wir uns Achtsamkeit in der Begegnung miteinander, die Leidenschaft oder Ausdauer, auch schwierige Aspekte zu meistern, und die Gelassenheit für die eigenen Schwächen und das Anderssein des Partners.“
Yoga als Brücke vom Körperlichen zur Seele
Sexualität wird in vielen Yogatraditionen als etwas höchst Individuelles verstanden. Die zwei wichtigsten Ausrichtungsprinzipien für alle Aspekte des Yoga sind die Gewaltlosigkeit (Ahimsa), die auf Mitgefühl gründet, und Wahrhaftigkeit (Satya). Ohne sie ist eine Entwicklung in Menschlichkeit und Spiritualität nicht möglich. „Wenn beide Teile versuchen, diese Werte in der Beziehung zu leben, wird dies einen ausgleichenden […]