Nicht selten treten im Sport Augenblicke ein, in denen man eine Verschmelzung mit dem Numinosen erfährt. Solche „Flow“-Erlebnisse sind letztlich nichts anderes als der Zustand, der im Yoga und anderen spirituellen Disziplinen angestrebt wird
Claudia war eine Teilnehmerin aus einer Yogalehrerausbildung, in der ich Philosophie unterrichte. Claudia war auf der Suche. Aus diesem Grund hatte sie sich auch für die Yogalehrerausbildung entschieden. Wonach genau sie suchte, konnte sie in der Vorstellungsrunde allerdings nicht näher sagen. Was die Ausbildung betraf, so war sie einfach ihrem Gefühl gefolgt. Claudia war auch Extremsportlerin. Sie joggte. Jeden Tag. Bei jedem Wetter. Kilometerlang. Neben dem körperlichen Aspekt des Auspowerns war es ihr ein inneres Bedürfnis. Warum, konnte sie nicht genau sagen. Als Claudia erzählte, dass sie so viel Sport trieb, wurde ich neugierig, denn häufig machen diese Sportler eine sehr tiefe Erfahrung mit sich selbst, ihrem Körper und ihrem Sein. Dies war auch bei Claudia der Fall. Denn wie sich bei genauerem Nachfragen meinerseits schnell herauskristallisierte, erlebte Claudia beim Joggen das, was als Flow bezeichnet wird. Jene Momente, in denen ES sie atmete. Momente, in denen sie eins wurde mit ihrem Körper, ihrer Seele, ihrem Geist. Eins wurde mit dem Rest der Welt. Als ich in die Runde fragte, ob noch mehrere der zukünftigen Yogalehrer eine solche Erfahrung kannten, zeigten neun von sechzehn Anwesenden auf. Beim Sport oder in der Natur hatten sie diese Erfahrung gemacht, in der sich das lineare Raum-Zeit-Erleben auflöst und man eins wird mit sich und dem Rest der Welt.
Flow-Erfahrungen als Momente der Einheit
Das, was im Sport als Flow bezeichnet wird, wird im Yoga und in anderen spirituellen Traditionen als eine Erleuchtungserfahrung oder als eine Erfahrung des Reinen Bewusstseins beschrieben. Wobei es hier natürlich viele verschiedene Nuancen gibt. Aber ich würde behaupten, dass eine solche Flow-Erfahrung wie ein Tor in eine andere Bewusstseinsform wirken kann, die jenseits unseres Alltagsbewusstseins angesiedelt ist. Ein Tor zum Göttlichen Bewusstsein. Egal, wie tief dieses Erleben ist, allen Menschen, die diese Erfahrung machen, ist gemein, dass man in einem solchen Moment eine unaussprechliche Einheit erfährt, unverletzt und vollkommen, ohne Beginn und ohne Ende. Diese Erfahrung kann manchmal nur den Bruchteil einer Sekunde dauern, in dem wir uns und die Welt als unverwundbar und heil […]