Ein drastisch erhöhtes Lebenstempo, ständige Erreichbarkeit und der Druck, stets effizient und up to date zu sein, führen bei immer mehr Menschen zum Kollaps. Ein persönliches Beispiel und wie aus der Krise die Chance für einen Neuanfang hervortrat
Es passierte in einer Nacht im April, in jenen Tagen, als in Fukushima die Atomreaktoren explodiert waren. Ich wachte auf, und alles, was ich sah, war Schnee vor den Augen. Ich hatte keinen Totalkollaps erlebt, sondern so etwas wie einen visuellen Tinnitus. Da das Symptom nicht wegging, waren die folgenden Wochen und Monate geprägt von Ängsten rund um meinen Kopf und meinen Körper. Die Diagnose lautete: Überreizung des Gehirns. Die Folge war eine Angststörung. Von einem Moment auf den anderen änderte sich mein Leben und damit auch meine Einstellung zu mir selbst und der Art und Weise, wie ich die letzten Jahre gelebt hatte. Mir wurde zum ersten Mal so richtig bewusst, wie wertvoll ein gesunder Körper und eine stabile Psyche sind. Und mir wurde auch bewusst, wie unwichtig alles Äußere wird, wenn der eigene Körper eben nicht mehr wie gewohnt verlässlich arbeitet. Was mir aber außerdem noch bewusst wurde, war: wie krank die Zeit ist, in der wir heute leben!
Keine Zeit mehr für das Wesentliche
Bis zu dieser Nacht im April hatte ich eigentlich immer das Gefühl gehabt, ein ganz normales und sehr erfülltes Leben zu führen, weil mir meine Arbeit sehr, sehr viel Freude bereitete. Ich hatte immer das Gefühl, sehr privilegiert zu leben, und fand alles eigentlich schön.
Eigentlich. Und trotzdem hatte ich in den letzten Jahren immer mehr das Gefühl, dass mir etwas Wesentliches fehlte: Ich hatte keine Zeit mehr. So sehr ich mich auch bemühte, ich hatte immer weniger Zeit für das, was ich mir vornahm, und noch schlimmer: für das, was mich in meinem Innersten interessierte und bewegte. Ich war ständig unterwegs, fuhr, ging oder flog von einem Termin zum nächsten, um über Yoga, Entspannung oder das Sein zu berichten. Und irgendwie war es immer das Gleiche: Ein Projekt war erledigt, und ich nahm mir vor, bis zu Beginn des nächsten Auftrages endlich mal wieder Zeit mit Freunden zu verbringen, ins Kino, in Konzerte zu gehen oder meine eigene Beziehung zu pflegen. Doch es […]