In der Yogatherapie kommt dem Prana eine essenzielle Rolle zu. Dr. N. Chandrasekaran, eine Koryphäe dieses Fachs, erläutert dies an praktischen Beispielen.
Der Atem ist der Träger von Prana, und Prana ist der ultimative Heiler. Die Genesung von Krankheiten, das Erhalten und Fördern ganzheitlicher Gesundheit in perfekter Harmonie mit der Totalität – all dies ist nur durch Prana möglich. Der Zustand des menschlichen Seins, in dem Prana ungehindert durch sein weitverzweigtes Netzwerk von Nadis fließt, wird als Gesundheit bezeichnet. Wo immer der Fluss von Prana eingeschränkt oder unterbrochen ist, beginnt sich Krankheit zu entwickeln, wächst in ihrer Intensität und nistet sich schließlich fest ein. In der von Sri Krishnamacharya überlieferten Fassung des Yoga-Rahasya heißt es ausdrücklich: „Pranayama ist die Waffe, die das Netz der Krankheit durchtrennen kann“ (III, 39).
Yogatherapie bezieht ihr gesamtes Potenzial aus dem Prana und dem Atem. Um zu zeigen, wie Prana seine geradezu magischen Effekte entfalten kann, werde ich zunächst eine Fallstudie anführen, bevor ich erläutere, wie Atem und Prana in der Yogatherapie zum Einsatz kommen.
Ein Fallbeispiel
Eine Frau von Anfang vierzig kam zu einem meiner Seminare in Australien mit einer festen Bandage um ihren rechten Unterarm. Sie hielt den Arm in einer unnatürlichen Position. Die Frau saß in der ersten Reihe und machte sich eifrig Notizen, wobei sie mit der linken Hand ihr Laptop bediente. Nach einigen Tagen traf ich sie erneut. Diesmal kam sie zu einer Einzelkonsultation. Dabei erfuhr ich, dass sie schon seit 14 Jahren an fortwährenden starken Schmerzen im rechten Unterarm litt. Jede kleinste Bewegung und sogar ein leichter Windhauch lösten enormen Schmerz aus. Man hatte ihr eine Morphiumpumpe in den Körper eingesetzt, damit die Schmerzen einigermaßen erträglich waren. Ich bat sie, die Bandage für einige Minuten abzunehmen, und untersuchte ihren Arm. Da die Haut unter der Bandage nie der Sonne ausgesetzt war, unterschied sie sich dort in ihrer Beschaffenheit deutlich von der restlichen Haut. Die Armmuskulatur war weitgehend verkümmert, weil sie nicht benutzt wurde. Die Fingergelenke, das Handgelenk und das Armgelenk waren steif und teilweise deformiert.
Ich entwickelte eine einfache Praxis, die einzig und allein auf dem Atem und auf Pranayama basierte, und brachte sie ihr bei. Ihr unerschütterlicher Glaube an Yoga, ihre regelmäßige Praxis und natürlich die […]