Yogatherapie anzubieten, bedeutet große Verantwortung. Ein erfolgreiches therapeutisches Vorgehen setzt nicht nur profunde Kenntnisse des Yoga, sondern auch ein ausgeprägtes Gespür für die individuellen Krankheitsursachen voraus
Was ist Yogatherapie? Inwiefern ist sie anders als andere Therapieansätze? Yogatherapie ist ein Ansatz in vier Teilen, die sich phasenweise entwickeln:
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die Entwicklungsgründe der Krankheit verstehen
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über gezielte Übungen diesen Entwicklungsgründen entgegenwirken
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Alltagssituationen, die Krankheitssymptome verstärken, wahrnehmen und ihnen gezielt mit den erlernten Techniken zuvorkommen
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die Angst vor der Krankheit verlieren
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Im Konkreten: Wenn ich unter Rückenschmerzen leide, übe ich gezielte Yogasequenzen aus, die ich bei einem dazu geschulten Yogalehrer gelernt habe. Meine Körperwahrnehmung steigert sich durch regelmäßiges Üben: immer wieder im Alltag merke ich es, wenn ich meinen Körper verspanne, sei es beim Gehen, Sitzen oder bei einer Tätigkeit. Indem ich meine Atmung entspanne und die Haltung anpasse, unterstütze ich die Entkrampfung des Rückens. Mir wird allmählich bewusst, welchen Beitrag zur Krankheit ich mit beisteuere. Das Wissen, dass Krankheit kein völlig fremdgesteuertes Etwas ist, sondern durch mein Tun beeinflusst wird, hilft mir, die konkrete Rolle zu spüren, die ich bei ihrer Entwicklung gespielt haben kann. Diese Erkenntnis über die Entwicklung der Krankheit und die Zuversicht, dass ich aus eigener Hand viel für deren Verbesserung tun kann, nimmt der Krankheit die Bedrohlichkeit. Nicht zuletzt objektiviere ich dadurch die eigene Empfindung und bekomme Abstand zu mir, so dass die Angst dem Vertrauen Platz macht. Es handelt sich nicht um vier Schritte, die nacheinander folgen, sondern um Entwicklungsphasen mit vier Schwerpunkten. Üben, Vertrauen entwickeln, sich selbst bei Fehlverhalten ertappen lernen, die Krankheit gelassen nehmen lernen – eines unterstützt das andere.
Ein Fallbeispiel
Tobias, 31 Jahre, hatte Angstzustände und einen nervösen Magen und litt unter Tinnitus. Er hatte über drei Jahre verschiedene Formen von Therapien gemacht und Medikamente eingenommen. Sein Leidensdruck, aber auch sein Übungswille waren groß. Seine Bauchdecke war fest und bewegte sich nicht mit den Wogen des natürlichen Atems. Seine Stimme verriet eine starke Verschleimung. Er übte seinen Beruf sitzend aus, die Beine waren steif. Ich setzte zunächst auf folgende Themen bei den Asanas:
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- die Beweglichkeit der Beine und die Standfestigkeit
- die Lockerung der Bauchdecke durch ruhige, langsame Ausatmung […]