Janine Nagel hat im Rahmen eines sozialen Projekts mit minderjährigen Flüchtlingen Yoga geübt. In YOGA AKTUELL berichtet sie von ihren Erfahrungen und den Herausforderungen, die es zu bewältigen galt
Als sich Ende letzten Jahres die Presseberichte über Flüchtlinge überschlugen, reifte in mir der Wunsch, mir ein eigenes Bild von den Menschen und deren Lebenssituation zu machen. Als Yogalehrerin lag es für mich nahe, Unterricht anzubieten und ein System, das an keine Religion gebunden ist und auf universellen Werten basiert, zur Völkerverständigung zu nutzen.
Nach einigem Suchen fand ich ein Projekt für alleingereiste, minderjährige, männliche Flüchtlinge. Neben Deutschstunden am Vormittag sollten sie noch eine Gelegenheit zur sportlich-kreativen Betätigung am Nachmittag erhalten. Letztlich fiel die Wahl auf eine Kombination aus Yoga und Capoeira, die während des dreiwöchigen Projekts im Februar 2016 an zwei Tagen pro Woche angeboten wurde.
Herausfordernd von Anfang an
Vor Projektstart besuche ich die Jugendlichen in ihrer Unterkunft, um mir ein erstes Bild zu machen. Zunächst erfahre ich, dass schon die Suche nach geeigneten Trainingshosen schwierig ist, weil es kaum Kleiderspenden in den Größen S und M gibt. Ein Aufruf in meinem Studio befördert schließlich diverse Hosen aus den Schränken meiner Schüler, die ich zur ersten Stunde mitnehme.
In weiteren Gesprächen wird mir schnell klar, dass die meisten der ca. 30 jungen Männer aus verschiedensten Ländern kein Wort Deutsch können. Es gibt einen Übersetzer für Arabisch, für die anderen Sprachen fehlen Dolmetscher völlig.
Wie soll also mein Yogaunterricht für Menschen, die meine Sprache nicht verstehen, aussehen? Ich habe mir vorgenommen, den Unterricht nicht nur auf Körperarbeit zu beschränken. Etwas Philosophie möchte ich auch vermitteln. Also schnappe ich mir den Übersetzer mit der Bitte, kurz die wichtigsten Begriffe durchzusprechen, so dass er sich auf die Übersetzung vorbereiten kann. Der guckt mich mit großen Augen an und erwidert: „Das klingt spannend – aber ich weiß gar nicht, ob es im Arabischen einen Begriff für ‚Wahrhaftigkeit‘ gibt. Und was machen wir mit Kurdisch, Farsi, Somali …?“
Ich erkundige mich nach den Hauptproblemen der Jungs: „Kopfschmerzen!“, „Heimweh!“ Und stets die Frage im Hinterkopf: „Wann kommen endlich die Papiere?“ Zudem erfahre ich, dass die meisten seit mindestens zwei Jahren keine geregelte Tagesstruktur haben, komplett auf sich gestellt sind. Alle sind mehr oder weniger mit ihrem […]