Der Verein Yoga und Meditation im Gefängnis (YuMiG e.V.) organisiert Yogaunterricht hinter Gefängnismauern. Claudia Metzke, eine engagierte Yogalehrerin aus Stahnsdorf bei Berlin, vermittelt im Interview mit YOGA AKTUELL ihre Motivation dazu und ihre Erfahrungen damit, Yoga in einer Justizvollzugsanstalt (JVA) zu unterrichten.
INTERVIEW
YOGA AKTUELL: Claudia, du unterrichtest Yoga in der JVA Heidering. Wie kam es dazu und in welchem Rahmen findet dieses Angebot statt?
Claudia Metzke: Yoga hat mir in meinem Leben oft geholfen. Gerade in Krisensituationen (ich bin alleinerziehende Mama von zwei Töchtern) kann Yoga unglaublich hilfreich sein. Nach meiner Ausbildung zur Yogalehrerin bei Spirit Yoga in Berlin stieß ich auf eine Reportage über die Kraft des Yoga, in der auch eine Yogalehrerin gezeigt wurde, die in den USA Yoga im Gefängnis unterrichtet. Die Häftlinge dort berichteten, wie gut ihnen das tat. Das hat mich inspiriert, und ich begann zu recherchieren. Ich wollte etwas Sinnvolles machen. So stieß ich auf YuMiG, die gerade jemanden suchten. Was für ein Glück hatte ich in diesem Moment! Seitdem bin ich dabei, das sind jetzt zwei Jahre. Es ist ein Herzensprojekt für mich geworden, und ich mache wundervolle Erfahrungen.
Warum liegt dir das Unterrichten von Yoga für Strafgefangene so am Herzen?
Die Gefangenen empfangen das Yoga-Angebot mit Dankbarkeit und zeigen sich als hervorragende Schüler. Mein Ziel ist es, sie für sechzig Minuten aus ihrer oft herausfordernden Alltagsroutine zu befreien. Zu Beginn der Stunde sind sie oft unruhig und angespannt, doch am Ende herrschen Ruhe und tiefe Entspannung. Es entsteht eine fast selige Stimmung, die den Raum erfüllt und zeigt, wie kraftvoll Yoga sein kann.
Wie gestaltest du deine Stunden und welche Elemente des Yoga beziehst du ein?
Wir üben hauptsächlich dynamischen Vinyasa-Yoga, der Unterricht ist sehr kraftvoll, und der Atem steht im Mittelpunkt. Die Vier-Quadrat-Atmung, auch bekannt als Boxatmung, kann man wunderbar für das Verständnis mit den Fingern vorzeigen, bzw. die vier Takte mit den Fingern mitzählen. Egal aus welchem Land die Gefangenen kommen, egal welche Sprache sie sprechen, das Ein- und Ausatmen beherrschen sie bei mir in- und auswendig.
Neben Asanas und Pranayama setze ich weniger Philosophie ein, da sie sich aufgrund der Sprachbarriere oft nicht übermitteln lässt. Ich gehe eher von der Körperebene auf die mentale Ebene, eben durch Kraft und Balance. Meditation durch einfache Atemübungen, die einen sofortigen Nutzen zeigen, wird gerne angenommen. Die Praxis ist bodenständig, nahbar und vor allem gerne mit einem Lacher bestückt. Damit bekomme ich sie immer – wer kann schon einem Lachen widerstehen?
Wir üben Sonnengrüße, und ich versuche, die Hintergrundbedeutung dazu zu erklären. Oft muss ich auch flexibel sein und spontan Varianten einbauen, je nach den körperlichen Voraussetzungen der Teilnehmer. Am Ende jeder Stunde ist Shavasana die wichtigste Übung, um zur Ruhe zu kommen und all das, was wir gemacht haben, zu verarbeiten.
Welche besonderen Herausforderungen gibt es in diesem Umfeld?
Wie schon erwähnt, ist die Sprachbarriere eine große Hürde, da viele Nationalitäten vertreten sind. Verletzungen und Einschränkungen abzufragen ist schwierig, weil mich viele nicht verstehen.
Ich versuche, durch Gesten eventuelle Verletzungen oder Einschränkungen herauszufinden. Da ich keinen Dolmetscher habe, helfen manchmal andere Teilnehmer beim Übersetzen. Die Männer verbergen ihre Beschwerden oft aus Stolz, was es schwierig macht, Risiken zu minimieren.
Gab es Hürden, um dort unterrichten zu dürfen?
Ein paar. Am Anfang ist der Prozess doch langwierig. Es müssen Unterlagen vorgelegt werden, um sicherzustellen, dass man nicht vorbestraft ist. Das ist verständlich.
Fühlst du dich sicher in der JVA?
Absolut. Die Mitarbeiter der JVA sind sehr freundlich, ich bekomme einen Schlüssel und ein ortbares Walkie-Talkie. Während der Stunde sind Bedienstete immer in der Nähe.
Ich habe mich nie so sicher gefühlt wie bei den Häftlingen. Sie sind respektvoll und passen auf mich auf. Es gibt auch immer technische Möglichkeiten, sich Hilfe zu holen, aber ich musste sie noch nie benutzen.
Wie reagieren die Menschen in deinem Umfeld auf dein Engagement?
Es gibt leider immer wieder Vorurteile, dass die Gefangenen Yoga geschenkt bekommen. Das sei Luxus. Ich erkläre dann, dass Yoga hilft, Aggressionen und Stress zu bewältigen, und besonders auch, damit umzugehen, wenn sie wieder draußen im Alltag sind. Außerdem arbeiten die Häftlinge und müssen einen Teil ihres Lohns abgeben.
Wie ist die Resonanz der Teilnehmer?
Die Gefangenen sind sehr aufgeschlossen und wählen Yoga neben Fußball und Krafttraining freiwillig. Einige praktizieren auch außerhalb der regulären Stunden weiter und berichten, dass sie dadurch besser schlafen können oder sich körperliche Verspannungen gelöst haben. Manche Teilnehmer bitten um Yogabücher für die Gefängnisbücherei, die gerne ausgeliehen werden. Regelmäßig sammle ich Bücherspenden, damit sie sich weiterhin mit Yoga beschäftigen können.
Du hast vorhin erwähnt, dass es auch humorvolle Momente während der Stunden gibt…
Absolut! Bei mir wird viel gelacht, und das ist oft der Schlüssel, um die Gefangenen zu erreichen. Yoga ist nicht nur spirituell und philosophisch, der Humor ist es, der sie auf emotionaler Ebene anspricht. Manche Haltungen oder Worte finden die Teilnehmer komisch, und wir lachen dann gemeinsam.
Welche Erfahrungen haben dich darin bestärkt, dass Yoga im Gefängnis viel Gutes bewirken kann?
Die Knackis (so darf ich sie übrigens liebevoll nennen) applaudieren am Ende der Stunde, was mich anfangs verlegen gemacht hat, denn es soll ja keine Show oder Performance sein. Jetzt sage ich ihnen, sie sollen für sich selbst applaudieren: als Dank dafür, dass sie durchgehalten haben und all das, was auftaucht, zugelassen haben.
Was möchtest du anderen Yogalehrerinnen und Yogalehrern mitgeben, die ebenfalls in einer JVA unterrichten möchten?
Keine Angst und keine Vorurteile, lasst uns aus dem Schubladendenken ausbrechen. Die Realität ist so viel mehr als das, was wir aus Filmen und Serien kennen. Es ist eine Reise voller bereichernder Erfahrungen, die uns positiv verändern können. Seid offen für das Unbekannte, denn darin liegt oft das größte Potenzial für Wachstum und persönliche Entwicklung.
Herzlichen Dank für das Gespräch.
Mehr erfahren: https://claudia-metzke.de/