Leslie Kaminoff nennt sich selbst nicht Yogalehrer, sondern „Yoga Educator“. Inspiriert durch die Tradition von T.K.V. Desikachar, ist er heute weltweit auf dem Gebiet der „Atmenden Anatomie“ anerkannt. Wir sprachen mit ihm über Anatomie-Bücher, den atmenden Körper und die individuelle Anatomie des Körpers, die der Schüler nur selbst erforschen kann
Wir können entscheiden, welche Beziehung wir zu den Dingen haben, über die wir keine Kontrolle haben. Das ist die größte Lektion, die uns unser Atem lehren kann.
Interview
YOGA AKTUELL: Was bedeutet Yoga für dich?
Leslie Kaminoff: Es ist der einzige Job, den ich jemals hatte. Das ist gut so, denn ich glaube, ich bin ziemlich ungeeignet für jede andere Art von Job.
Wie kam es, dass du deinen Fokus auf die Yoga-Anatomie und den atmenden Körper gerichtet hast?
Das geschah aus meiner Neugier her-aus. Wenn du unterrichtest und aufmerksam für das bist, was vor dir geschieht, beginnst du, die Unterschiede in den Körpern der Menschen und ihre unterschiedlichen Fähigkeiten wahrzunehmen. Bei der Sivananda-Organisation zu unterrichten, half mir dabei sehr, denn im Sivananda Yoga unterrichtet man immer und immer wieder die gleichen Sequenzen. Die Beständigkeit der Kursstruktur brachte die Unterschiede der Körper zum Vorschein, und ich wurde sehr neugierig auf diese Unterschiede.
Mein Freund Larry Payne machte Anfang der 1980er Jahre eine einzige Bemerkung, die mich dazu brachte, meinen Fokus auf den Atem zu richten. Er war gerade von einer Reise aus Indien zurückgekehrt und erzählte mir von all den Yogalehrern, die er getroffen hatte. Am meisten beeindruckt hatte ihn Desikachar, und ich fragte: „Wer ist Desikachar, was macht ihn so besonders?“ Larry antwortete: „Es ist alles im Atem.“ Mehr erfuhr ich nicht, aber meine Neugier war geweckt. Ich begann, meine Aufmerksamkeit darauf zu richten, wie ich atmete, wenn ich praktizierte, und welche Art von Atmung mit einer bestimmten Bewegung besser funktionierte, wie der Atem die Positionen beeinflusst, und wie die Positionen den Atem beeinflussen.
Und dann bist du nach Indien gereist?
Erst 1988 ging ich zu Desikachar. Nachdem ich 1982 die Sivananda-Organisation verlassen hatte, blieb ich erstmal in Los Angeles und arbeitete im Feld der Sportmedizin, die zu diesem Zeitpunkt wegen der Olympischen Spiele […]