Vivek Nath unterrichtet Sanskrit, Yoga und indische Philosophie und führt als Priester authentische altindische Rituale durch. Im YOGA-AKTUELL-Interview spricht er über den Kaschmirischen Shivaismus als Bewusstseinsphilosophie jenseits von Trennung und über die Rolle von Ritual- und Mantra-Praxis
Vivek Nath ist im deutschsprachigen Raum als Lehrer von Kaschmirischem Shivaismus, Sanskrit, Mantra und Pujas bekannt. Mit großer Hingabe teilt er sein umfangreiches Wissen in Seminaren sowie im Einzelunterricht mit anderen. Im YOGA AKTUELL-Interview spricht er über seine spirituelle Lehrzeit in Varanasi sowie über akkurate Mantra-Rezitation und erklärt, warum innere und äußere Disziplinen sich nicht widersprechen.
Interview
YOGA AKTUELL: Vivek, wie kamst du auf den spirituellen Weg, und wie hat sich dein Pfad über die Jahre hinweg entwickelt?
Vivek Nath: Meine deutsch-indischen Eltern waren mit Anjali und R. Sriram befreundet, und ich kenne beide seit meiner Kindheit. Mit fünfzehn entstand in mir der Wunsch, etwas Sinnvolles im Leben zu machen, und ich fragte meine Mutter nach einem Yogalehrer. Sie wiederum fragte Anjali, ohne zu wissen, dass ihr Mann Sriram ja Yoga unterrichtet. Er war zu jener Zeit noch nicht so bekannt. Beiden verdanke ich stetiges Vertrauen in den Weg und die Ausrichtung.
Nach dem Abitur ging ich nach Varanasi, um Sanskrit zu studieren; bestimmt auch auf der Suche nach meinen indischen Wurzeln. Ich wohnte an den Ghats in einem kleinen Ashram auf dem Verbrennungsplatz und hatte Verwandte in der Altstadt. Dort lebte mein Großonkel. Er war ein Heiliger, jemand, den Gott beschenkt hat, so sagte man damals über ihn. Ich war extrem angezogen von ihm, dem Licht in seinen Augen. Als Devi-Bhakta verbrachte er die Nächte in Meditation, und meine Ausbildung bei ihm war ebenfalls zuerst in stiller Meditation. Es war eine sehr mystische Zeit in meinem Leben. Ich besuchte ihn oft in seinem Zimmer und führte Notizen zu diesen Begegnungen. Mit zunehmendem Sanskrit-Studium wurde daraus auch eine zunehmende Mantra-Praxis in seiner Tradition.
Abhinavagupta, der bedeutendste Vertreter des Kaschmirischen Shivaismus, bezeichnete sich als eine Biene, die von Blüte zu Blüte fliegt, um Nektar zu kosten. Ein Studium oder Leben verläuft ähnlich. Die Sanskrit-Wissenschaften werden als lebendige Göttin (Vidya) verkörpert. Man kann Sie nicht in Besitz nehmen, sondern Ihr nur dienen – und nur so zeigt Sie auch den nächsten Schritt […]