Singen und alles andere loslassen – wie Krishna Das seine musikalische Berufung erlebt. YOGA AKTUELL sprach mit dem Mann, der das Chanten von Mantren populär machte und zu neuer Blüte erweckt.
YOGA AKTUELL: Wenn Sie mit Menschen singen, tauchen Sie nach innen ein, meditieren, singen sich in Ekstase. Gibt es da eine Technik?
Krishna Das: Ja, Ich gebe einfach nur mein Bestes. Egal was sonst gerade ist, welcher Tag es ist, wo das ist oder wo ich gerade herkomme etc. Wenn ich mich niedersetze, um zu singen, lasse ich alles Sonstige einfach sein. Ich versuche alle Gedanken, alle Erinnerungen und Emotionen gehen zu lassen. Alles das, was ich den ganzen Tag sonst mit mir herumschleppe. Ich lasse es los und bringe es ganz dem Chanten dar.
Und ich richte meine Aufmerksamkeit auf den Vorgang des Chantens. In meinem Fall ist das also das Harmonium vor mir, das ich mit den Fingern presse (mit allen möglichen Fehlern, die dabei passieren) und das Wiederholen der Göttlichen Namen. Ich versuche nicht irgendein Gefühl zu erschaffen oder einen bestimmten Zustand zu kreieren oder eine besondere Atmosphäre, weder für mich noch für irgend jemand anderes. Ich versuche einfach nur die Aufmerksamkeit auf die Mantren und die göttlichen Namen zu richten. Es ist vielleicht, wie wenn man tief in den Wald hineingeht und mit der Zeit sich all die unterschiedlichen Wege ganz allmählich in einem Weg vereinen, der, je weiter man ihn geht, deutlicher und klarer wird, der die Welt ringsum sichtbar werden lässt, aber dennoch gleichzeitig tiefer in den Wald hineinführt.
Diese göttlichen Namen, die Namen der Devas… Was passiert auf einer höheren Ebene während des Chantens? Rufen Sie die Götter?
KD: Ich weiß es nicht. Das Einzige, was ich wahrnehme ist, dass ich ruhiger werde, gegenwärtiger, mehr Frieden spüre und einen Raum, in dem alles existiert. Als ob wir alle in diesem gegenwärtigen, tiefen Raum sitzen. Ich sehe dann keine Devas oder Gottheiten. Ich kann natürlich all die Geschichten erzählen, die ich in Büchern gelesen haben, aber meine Erfahrung des Chantens ist sehr einfach. Und sehr vereinigend. Ich gehe oder falle zurück in mein eigenes, wahres Selbst. Ich habe sonst keine Erfahrung. Nur eine Erfahrung der Stille, der Einheit, des Klanges, des Momentes. Klang und Gegenwärtigkeit. Ramana Maharishi sagte, dass der Dhyani, der Erleuchtete, die stillen Namen hört, die aus dem Herzen aufsteigen. In gewisser Weise lausche ich auf diese stillen Namen und setze Klang, setze meine Absicht ein, mich in diese Richtung hin zu bewegen.
Manche Zuschauer erzählen von visuellen Erfahrungen oder sie sagen, sie sähen jemanden hinter Ihnen. Manche sehen Ihren verstorbenen Guru Neem Karoli Baba hinter Ihnen tanzen. Versuchen Sie, ihn durch Sie sprechen zu lassen?
KD: Oh, Das klingt toll. Das würde ich natürlich gerne. Aber darüber denke ich gar nicht nach. Ich versuche nur zu singen und mich hinzugeben, versuche loszulassen und in diese, Seine Gegenwärtigkeit einzutauchen. Das ist alles, was ich tue und was ich jetzt im gegenwärtigen Moment tun kann. Und nicht mal das. Wenn ich da hingehe und die Leute sind da oder auch nicht, das macht eigentlich nicht wirklich etwas aus. Ich singe für mich, nicht mal für jemand anders.
Sie begannen in Yoga-Centern. Anfangs kamen ein paar Zuschauer. Mittlerweile sind es große Veranstaltungsorte, Hunderte, ja Tausende von Zuschauern in den USA. Sie geben nicht nur die Konzerte, sondern auch Workshops und Retreats. Das geht über das Singen weit hinaus. Lehren Sie auch?
KD: Nein, ich lehre die Leute nicht. Ich teile mit dem Singen nur meine eigene Reise. Vielleicht gibt es da etwas Verbindendes, was hilft, jemandes Schmerz oder Last ein wenig zu erleichtern. Und auch mir hilft das, denn ich begreife selbst viel, wenn ich es anderen mitteile. Ich sehe das nicht als „Lehren“, ich wüsste nicht, dass ich etwas Besonderes wüsste oder lehren könnte. Was also die Workshops angeht: da versuche ich mich mit Menschen auszutauschen, Erfahrungen zu teilen. Die wenigsten können sich einfach hinsetzen und sagen: „Wow, das ist es“. Die meisten von uns haben noch viele Wünsche, Traurigkeit und Leid im Leben. Ein Teil dessen, was ich also mitteilen möchte, ist, dass wir dies nicht vermeiden sollten. Wir sollten die verschiedenen Yogas praktizieren. Aber nicht um all das gewaltsam zu verdrängen oder sich vorzustellen, dass dies alles vorbei ist, ohne dass man dem Achtung geschenkt hat.
Dennoch nehmen sicherlich etliche dies als eine Art Lehre auf und Sie werden dann schnell doch zum Lehrer. Und vom Lehrer ist es dann oft nur noch ein kleiner Schritt zum Guru… Haben Sie keine Angst, für mache eine Art Guru zu werden?
KD: Nein, da habe ich keine Angst, denn ich bin keiner. Also gibt es auch nichts, wovor ich Angst haben müsste. Ich nehme es auch nicht persönlich. Natürlich sehe ich, dass die Menschen sehr vom Chanten profitieren. Wenn jemand den Stecker aus seinem Dialysegerät zieht und dabei dieser Musik lauscht und so vielleicht eine schöne Zeit hat. Kann man da sagen, dass ich nichts damit zu tun hätte? Das ist meine Arbeit, das ist Gottes Segen, jemandem auch durch schwierige Zeiten hindurch zu helfen. Das Singen hilft.
Ich habe keine Angst, wenn Leute mich so sehen, denn es ist alles durch Gottes Gnade. Wenn du also etwas von mir bekommst, dann findet folgendes statt: der, der du wirklich bist, bekommt etwas von demjenigen, der ich wirklich bin. Natürlich heißt das nicht, wenn ich jetzt das Harmonium spiele, dass in zwei Minuten vielleicht du das Harmonium spielst oder es jemandem anderen beibringst. Es ist ein Segen für mich, denn ich liebe Menschen, und es ist immer so schön zu erleben, wenn Menschen von ihrem Schmerz und ihren Sorgen loslassen können und entspannen. Wie sie während der ein, zwei Tage eines Seminars wieder aufleben, sich erhellen, aufleuchten und wieder einen Geschmack vom dem bekommen, was Leben ist. Ungeachtet wie schwer ihre Last auch ist. Das ist das Einzige, was ich weiß – bis zu einem gewissen Grade. Und das möchte ich gerne teilen.
Sie sprachen davon, wie wichtig es ist, uns selbst zu lieben.
KD: Es scheint, als ob vielen von uns, obwohl unsere Eltern uns wirklich geliebt haben, doch unbewusst übertragen wurde, dass wir so, wie wir sind, nicht genug sind. Dass wir von außen her noch etwas bekommen oder erlangen müssen, um glücklich oder vollständig zu sein. Jeder versucht also etwas zu machen oder zu kaufen. So wie auch ein Auto für eine Weile eine Art Glück bringt, eine Art Vergnügen. Wir sind also von dieser Vorstellung durchdrungen, dass wir nicht genug sind, so wie wir sind. Uns wurde nicht vermittelt, uns selbst zu betrachten. Meine Eltern waren von dieser Welt begeistert und von dem Versuch, diese zu meistern. Aber wir lernen nicht, wie wir das anstellen sollen. Den Prozess umzukehren und nach innen zu schauen ist eine große Sache.
Ich lebte im Dschungel mit einem alten Baba. Er war damals 163 Jahre alt und sagte zu mir: „You have to develop your will power.“ (Du musst deine Willenskraft entwickeln.) Und ich dachte mir, was meint der nur damit? Dann wurde es mir klar, so wie Wolken am Himmel sich auflösen: Ich hatte mich immer selbst ausgetrickst. Immer wenn ich etwas wollte, habe ich mich selbst daran gehindert und es unterwandert. Auf diese Weise war also mein Wille, die Willenskraft einem Weg zu folgen, verkümmert.
Und dann begann ich damit zu arbeiten und erlaubte meinem Willen, sich selbst auszudrücken. Ich hatte danach eine wesentlich bessere Zeit. Denn ich war nicht mehr besorgt zu versagen oder von anderen beurteilt zu werden. Es fühlte sich großartig an, das tun zu können, was ich wirklich wollte, ohne mich gleichzeitig dabei selbst zu quälen. Was ich zuvor ja immer gemacht hatte. Und das ist nicht nur meine persönliche Erfahrung. Ich glaube, das geht vielen so…
Sie hatten mal den Wunsch, ein großer Rock Star zu werden. Dies hat sich dann zunächst nicht so umgesetzt. Nun sind Sie weit über die Yoga-Szene hinaus bekannt und sogar berühmt geworden.
KD: Da war immer ein verborgenes Gefühl in mir, berühmt zu werden. Doch wurde es mir auf eine Art und Weise gegeben, dass es hilfreich für mich war und nicht zerstörerisch. Und offenbar ist es auch für andere dann hilfreich. So wird also hinter den Vorhängen gearbeitet, so arrangiert das Universum. Aber ich konnte nicht dieser Rock Star werden. Dafür war ich zu neurotisch, zu selbstzerstörerisch. Ich hätte dort keinen Erfolg gehabt. Ich hätte dort nicht bekommen, was ich wollte, hätte mich noch mehr zerstört, als ich dies ohnehin schon getan hatte. Erst die Begegnung mit meinem Guru half mir zu erkennen, dass ich leben kann und dabei auch nach innen gehen kann. Aber erst 20 Jahre später nachdem mein Guru seinen Körper verlassen hatte, begann ich zu singen. Er starb 1973. Und ich habe erst 20 Jahre später angefangen, öffentlich zu singen. Vorher war mein Singen eher emotional oder mit Tränen verbunden, ohne wirkliche Anstrengung. Ich verlor mich eher in Traurigkeit.
Aber er gab irgendwie nicht auf mit mir, er öffnete mich, und dann kam der Punkt, an dem mir klar wurde, ich musste einfach singen, schon allein zum Wohle meines eigenen Herzens. Sonst hätte ich wohl nie Licht in diese inneren Orte voller Dunkelheit gebracht, die es zu erhellen galt. Fragen Sie mich bitte nicht warum. Ich habe da so viel Stolz, Unsicherheit, und brauche so viel Liebe, Aufmerksamkeit und Zuneigung, dass, wann immer ich vor Leuten sitze, ich nicht anders tun kann, ich muss einfach mein Bestes geben. Es hat wohl das Universum auf diese Art und Weise arrangiert, dass ich mir selber helfen konnte. So jedenfalls erscheint es mir. Es wäre natürlich toll, ich säße hier und könnte sagen, ja, ich hatte da eine Vision, ich müsste singen, um die Menschheit zu retten… Damit würde ich wahrscheinlich mehr verdienen oder die Massen ansprechen. Aber dann müsste ich all das „Gepäck“ noch mittragen. Ich kann ja das „Gepäck“, was ich jetzt habe, schon kaum tragen. Ich hätte dann noch mehr „Gepäck“ und versuche ja gerade das meinige loszuwerden.
Vielen Dank für das Interview.
Tourdaten für die „Ecstatic Chanting – Into the Heart Space“-Tour 2024:
- Di. 16.7. Köln, Konzert – 20:00 Uhr, Ostermannsaal, Sartory Säle
- Mi. 17.7. Köln, Konzert – 20:00 Uhr, Ostermannsaal, Sartory Säle
- Fr. 19.7. Berlin, Konzert – 20:00 Uhr, Humboldtsaal, Urania Berlin
- Sa. 20.7. Berlin, Konzert – 20:00 Uhr, Humboldtsaal, Urania Berlin
- So. 21.7. Berlin, Workshop – 19:00 Uhr, Kleistsaal, Urania Berlin
- Mi 24.7. Stuttgart, Konzert – 20:00 Uhr, Filderhalle
- Fr. 26.7. München, Konzert – 20:00 Uhr, Stadtsaal, Veranstaltungsforum Fürstenfeld
- Sa. 27.7. München, Workshop – 19:00 Uhr, Kleiner Saal, Veranstaltungsforum Fürstenfeld
- So. 28.7. München, Konzert – 20:00 Uhr, Stadtsaal, Veranstaltungsforum Fürstenfeld
- Di. 30.7. Frankfurt, Konzert – 20:00 Uhr, Hugenottenhalle
- Mi 31.7. Frankfurt, Konzert – 20:00 Uhr, Hugenottenhalle
- Do. 1.8. Frankfurt, Workshop – 19:00 Uhr, Saalbau Gallus