Liliana Lakshmi ist Yogalehrerin und Mitschöpferin des „Bhakti Yoga Summer Festivals“. In YOGA AKTUELL spricht sie über die positive Kraft der liebevollen Gemeinschaft, über die essenzielle Bedeutung des regelmäßigen Kontakts mit der Natur und über „Yogis auf den zweiten Blick“
Liliana Lakshmi ist eine Yogini, die den Bhakti-Spirit so großzügig und so scheinbar mühelos versprüht, dass man in ihrer Gegenwart fast gar nicht anders kann als sich von dieser durch Tiefgang getragenen Positivität und Hingabe anstecken zu lassen. Die gebürtige Kolumbianerin lebte lange in Indien, wo sie mehrere Ausbildungen in der Sivananda-Tradition machte, und in Singapur, wo sie sich bei vielen verschiedenen Lehrern weiterbildete, darunter Sri Dharma Mittra, Andrei Ram (Dharma Yoga), Amy Ippoliti, Patrick Creelman, Marc Holzman (Anusara Yoga), Mark Whitwell, Shiva Rea, Andrey Lappa und Jules Febre (Jivamukti Yoga). Auf Bali ließ sie sich in Yin-Yoga-Therapie ausbilden. Auch nach Deutschland kommt Liliana regelmäßig. Gemeinsam mit ihrem Lebenspartner, dem bekannten Musiker Sathya, organisiert sie seit einigen Jahren unter dem Titel „Bhakti Yoga Summer Festival“ eine Festivalreihe, bei der Yoga und Chant gleichermaßen Raum erhalten. Wir sprachen mit ihr kurz nach dem Winter-Event.
YOGA AKTUELL: Du stehst noch ganz frisch unter dem Eindruck der Winter-Ausgabe des „Bhakti Yoga Summer Festivals“. Was hat dich besonders berührt?
Liliana Lakshmi: Das war jetzt unser zehntes Festival. Mich berührt jedesmal, dass sich schon so viele donnerstags für die Eröffnungszeremonie freinehmen. Dann sitzen wir zusammen beim Japa. Diesmal waren auch viele Neue dabei. Das Gefühl von Community war noch stärker als sonst – vielleicht auch, weil man im Winter gefühlt noch näher zusammenrückt. Und wenn z.B. die Main-Stage voll war, haben sich die Leute ganz von selbst verteilt. Jeder in dieser Community tut einfach immer sein Bestes, damit die Harmonie erhalten bleibt und man dieses schöne Gefühl beibehält.
Glaubst du, dass Sangha – das Zusammensein in der Gemeinschaft – energetisch direkt den Frieden auf der Welt fördert, oder ist diese Geborgenheit in gemeinsamer Hingabe zunächst eher für den Einzelnen heilsam, so dass er dann gestärkt in die Welt gehen und etwas Positives bewirken kann?
Definitiv glaube ich, dass Sangha hilft. Als wir uns zum Festival getroffen haben, war dies unser erstes Thema, zumal kurz zuvor die Attentate von Paris geschehen sind und auch an anderen Orten so viel passiert ist. Natürlich betrifft uns das auch. Auch in meiner eigenen Praxis frage ich mich: Was kann ich tun? Ich bin der Meinung, wenn man wirklich vom Herzen aus Energie hinschickt, Liebe und positive Gedanken schickt, dann bewirkt das auch etwas. Es kreiert die Realität, in der wir leben. In unserer ersten Stunde beim Festival haben wir 108mal „lokah samastah sukhino bhavantu“ gesungen. Wie auch Masood Ali Khan bei seinem Konzert sagte: Es geschieht so viel auf der Welt. Aber es bringt nichts, wenn wir uns davon niederschmettern lassen und depressiv werden. Stattdessen ist es besser, Liebe auszusenden. Und wenn man sich trifft, um mit mehreren hundert Leuten gemeinsam mit Gefühl zu rezitieren, dann wirkt es, glaube ich, auf jeden Fall.
Das Chanten ist ein wichtiges Element eurer Festivals. Welche Rolle spielt Kirtan für dich persönlich?
Es ist eine große Säule meiner täglichen Praxis. Als ich damals in Indien mit meiner traditionellen Yogapraxis begann, übte ich zunächst nur Asanas und Pranayama. Durch meine Ashram-Aufenthalte in der Nähe von Bangalore und durch Besuche bei Amma in Kerala kam dann immer mehr das Chanten hinzu. Da habe ich gemerkt, dass es ein sehr wichtiger Teil der Praxis ist, weil man dabei innerhalb weniger Minuten sein Herz öffnet und alles, was einem vorher Sorgen bereitet hat, nicht mehr existiert – weil der Geist durch die Kraft der Mantras gleichmäßiger und stabiler wird. Das, worüber man immer so schön redet – im Herzen sein, das Herz öffnen – kann durch Kirtan wirklich gefühlt und praktiziert werden.
Es ist bei uns fester Bestandteil unserer Stunden und unserer Ausbildungen. Auch bei den Festivals gibt es den ganzen Tag über immer die Gelegenheit zum Chanten. Ein Swami, mit dem wir befreundet sind, leitet in Indien ein Waisenhaus. Er hat uns erzählt, dass er mit den Kindern, die aus schwierigen Verhältnissen kommen und schon viel Schweres erlebt haben, fast den gesamten Tag lang chantet. Er sagt, das ist die beste Therapie, die es gibt.
Ist es durch deinen Partner Sathya, der deine Vision teilt und ebenfalls ein Bhakti-Yogi ist, einfacher, deinen spirituellen Weg zu gehen und kontinuierlich voller Freude auf diesem Weg zu bleiben? Wie wichtig ist in der Beziehung der Aspekt der gemeinsamen Praxis?
Man begleitet sich definitiv, man unterstützt sich. Aber ich sehe es nicht als eine Voraussetzung für den Weg an, einen Partner zu haben, der dasselbe tut. Ich kenne viele Paare, bei denen ein Partner sich vielleicht nicht als Yogi bezeichnet, aber auf seine eigene Art in gewisser Weise dennoch ein Yogi ist. Solange es Verständnis und Unterstützung gibt, macht es nichts aus, wenn einer von beiden nicht diese explizite Praxis hat. Du hast mich aber nach meiner persönlichen Beziehung gefragt. Es ist natürlich wunderschön, dass Sathya auch seine fortwährende Praxis hat. Wir leben unseren Dharma und haben vor sieben Jahren zusammen alles aufgebaut – das wäre bestimmt nicht möglich gewesen, wenn wir die gemeinsame Praxis nicht gehabt hätten. Selbstverständlich erlebt trotzdem jeder ab und an in seiner eigenen Praxis seine Herausforderungen, und dann kann der andere nichts weiter tun als mit Liebe und Hingabe für dich da zu sein – so wie es vielleicht jeder andere Partner auch machen würde. Natürlich ist es schön zu wissen, dass man zusammen auf dem Weg ist; ich sehe es als eine Ehre und ein Privileg, mit Sathya auf dem Weg zu sein. Aber am wichtigsten ist, dass Liebe und Verständnis da sind.
Du sprichst hier etwas Wahres an, dass nicht nur jemand, der im herkömmlichen Sinne ein Yogi ist, die Essenz des Yoga verkörpern kann …
In Indien sagen die Menschen auch immer wieder, dass es Meister gibt, die man nicht erkennt. Sie sitzen z.B. auf der Straße und putzen Schuhe. Und so sehe ich das auch. Vielleicht nennt sich nicht jeder Yogi, aber viele sind es dennoch durch den Frieden, den sie ausstrahlen, oder durch die Art, wie sie handeln.
Du reist sehr viel, veranstaltest zusammen mit Sathya Retreats und Ausbildungen an einigen der schönsten Orte dieser Welt. Was bedeutet dir das Reisen?
Ich bin schon vor 18 Jahren aus meiner Heimat weggegangen. An das Reisen bin ich gewöhnt und bin insofern sehr anpassungsfähig. Aber ich merke, dass dieses ständige Umziehen auch eine Praxis ist. Man übt dabei, nicht an einem bestimmten Ort festzuhalten, nur wenige Dinge mitzunehmen und nicht darauf fixiert zu sein, immer bestimmte Dinge bei sich zu haben, wie etwa – ein ganz einfaches Beispiel – immer ein Nutella-Glas im Koffer zu haben (lacht). Wo ich bin, genieße ich das, was da ist. Ich versuche, von jeder Kultur etwas zu lernen und aufzunehmen. Das hält den Geist aktiv und kreativ. Von Natur aus bin ich eher eine Person, die Stabilität sucht, aber das Leben, das ich führe, bringt mich dazu, mich mit dem ständigen Wechsel anzufreunden und das Loslassen zu üben. Das ist so ein interessantes Spiel im Leben, dass man zu dem Einen tendiert und gerade deshalb das Andere üben muss.
Ihr seid oft an Orten der Kraft, wie etwa Rishikesh, Bali oder Ibiza. Wie kann man Hingabe und Inspiration auch in weniger inspirierenden Umfeldern aufrechterhalten? Wenn jemand z.B. in einer tristen Betonsiedlung lebt und vorerst nicht weiß, wie er da herauskommen soll – wie gelingt es ihm, sich dennoch immer wieder mit etwas zu verbinden, das ihm Kraft gibt?
Ich kenne das selbst auch, da ich während meines Studiums an der Uni längere Zeit am gleichen Ort verbracht habe. Ich weiß, dass es schwieriger ist, wenn man beispielsweise permanent in einem lichtarmen Büro sitzt. Logischerweise empfehle ich natürlich eine regelmäßige Praxis. Aber das allein reicht glaube ich nicht. Ich finde es auch unerlässlich, immer wieder Kontakt mit der Natur zu suchen. Du musst jeden Tag die Möglichkeit finden, z.B. in einen Park zu gehen und die Bäume zu berühren. Und wenn dir dann vielleicht auch weniger Zeit für etwas anderes bleibt oder du früher aufstehen musst – ich würde es auf jeden Fall tun. Wenn es Winter ist und kalt ist, dann pack dich ganz warm ein, aber geh raus. Keine Ausreden! (lacht). Es hilft dir, mit Mutter Natur verbunden zu bleiben, und es gibt dir Energie.
Was ist dein absolutes Herzensanliegen in diesem Leben?
Mein Herzenswunsch ist, so viel Hilfe an andere Menschen weiterzugeben, wie ich auch selbst in meinem Leben bekommen habe. Viele Menschen berühren zu können und ihnen zu zeigen: „Du bist nicht alleine! Das Leben ist nicht einfach, und vielleicht wohnst du auch nicht am idealen Ort, aber du bist nicht allein. Schau, es gibt etwas, das mir geholfen hast – probiere es auch aus!“. Dann gehen manchmal Türen auf. Oft brauchen die Menschen einfach einen kleinen Input, um zu begreifen, dass es für sie möglich ist, etwas zu verändern. Zeigen zu können, was für Möglichkeiten es gibt, im vollen Potenzial zu leben oder zumindest die Absicht dazu zu entwickeln, ist mein Herzensanliegen.
Machst du konkrete Pläne für die nächsten zwei, drei Jahre oder lässt du alles aus einem spontanen Fluss heraus entstehen?
Ich würde sagen: fifty-fifty (lacht). Sathya und ich gleichen uns da gut aus. Er bringt so ein bisschen die deutsche Eigenschaft des Planens ein. Mein nächster Plan ist, mich weiterzubilden lassen und mehr in Richtung Yogatherapie zu arbeiten. Zugleich möchte ich mit meiner Praxis auch stärker in die Natur gehen. Ich weiß noch nicht genau, wie ich beides verbinden werden, aber es wird mir auf jeden Fall immer wichtiger, Mutter Natur zu integrieren. Die Festivals machen wir natürlich weiter. Dazu gibt es für 2016 einige Neuigkeiten …
… über die wir in YOGA AKTUELL in Kürze berichten werden. Herzlichen Dank, Liliana, für das Interview!