Ein Interview mit Stanislav Grof, dem Begründer der Transpersonalen Psychologie, über die Grenzen der klassischen Psychiatrie und das Erforschen des Höheren Bewusstseins.
Wohl kein Psychiater mit einer traditionellen schulmedizinischen Ausbildung hat so viele Erfahrungen über außergewöhnliche Bewusstseinszustände gesammelt, wie Dr. med. Dr. phil. Stanislav Grof. Über vierzig Jahre lang begleitete er in mehr als 30.000 Holotropen Atemsitzungen und in über 4.000 Sitzungen mit psychedelischen Substanzen Menschen auf der ganzen Welt bei der Erforschung des Bewusstseins. Diese Erfahrungen spielten sich auf der transpersonalen Bewusstseinsebene ab, d.h. sie gingen weit über die persönliche Biografie hinaus. Es waren Sequenzen aus früheren Leben, Begegnungen mit Ahnen oder Einheitserfahrungen mit dem kosmischen Bewusstsein, von denen die Teilnehmer erzählten. Auf Grund dieser Vielzahl von Erfahrungen, die beweisen, dass sich unser Bewusstsein nicht nur auf unsere Sinne beschränkt, fordert Grof die traditionelle, materialistisch orientierte Wissenschaft immer wieder auf, sich für das kosmische Bewusstsein zu öffnen, das nicht mit dem Verstand zu erfassen und durch empirische Versuche messbar ist. Bislang aber leider vergeblich. Sollte sich die klassische Psychiatrie eines Tages für das transpersonale Bewusstsein öffnen, so ist dieser Verdienst ohne Frage zum Großteil Stan Grof anzurechnen, der durch seine jahrzehntelange Erforschung neue Sichtweisen des Bewusstseins und ebenso neue Wege in der Psychotherapie aufzeigt.
Interview
YOGA AKTUELL: Es gibt immer mehr Schulmediziner oder Psychotherapeuten, die ein Studium im klassischen Sinne absolvierten, aber in den letzten Jahren ein persönliches Interesse an spirituellen Themen entwickelten und nun auch das Bedürfnis verspüren, diese Spiritualität in die Praxis mit einzubringen. In einer eigenen Praxis ist dies natürlich eher möglich als in einer Klinik, wo sie auf alte Strukturen stoßen, die diese Integration verhindert. Wie können die Schulmedizin, die transpersonale Medizin und die transpersonale Psychotherapie Ihrer Meinung nach zusammengebracht werden?
Stanislav Grof: Was in der klassischen Psychiatrie und der klassischen Psychotherapie fehlt, ist die systematische Untersuchung und Einbeziehung der nichtalltäglichen Erfahrungen, der sogenannten transpersonalen Erfahrungen, die man zum Beispiel während schamanistischer Rituale, buddhistischer Meditationen, hinduistischer Yogaübungen usw. machen kann. Diese transpersonalen Erfahrungen, die oft über das biografische Erleben einer Person hinausgehen, wurden bislang von den Vertretern der materialistischen Wissenschaften systematisch unterschlagen oder falsch ausgelegt. Ich bin allerdings überzeugt davon, dass sich diese Strategie nicht ewig fortsetzen lässt, denn diejenigen Wissenschaftler, die sich mit […]