Der tibetische Lehrer Loten Dahortsang leitet Meditations-Retreats im Kloster Rikon und in anderen buddhistischen Zentren in Europa. Im Interview mit YOGA AKTUELL erklärt er, was Lu Jong ist, und spricht über eine Meditationspraxis, die sich aus Freude und Geduld nährt und ohne Leistungs- oder Konsumdenken auskommt
Der tibetische Buddhismus findet im Westen immer mehr Anhänger. Kein Wunder, denn mit viel Freude und Leichtigkeit vermitteln Lehrer wie Loten Dahortsang spirituelle Praktiken, die uns darin unterstützen, die eigene Buddha-Natur zu erkennen. YOGA-AKTUELL-Autorin Doris Iding sprach mit Loten Dahortsang im Vorfeld seiner Workshops bei UNIT Yoga.
YOGA AKTUELL: Sie geben Meditationskurse und lehren Lu Jong. Was genau ist Lu Jong?
Loten Dahortsang: „Lu“ bedeutet Körper und „Jong“ bedeutet Übungen. Diese Körperübungen werden in Tibet von Mönchen praktiziert, die sich dazu in die Berge zurückziehen. Durch die Kraft der Bewegung sind sie in der Lage, sich vor Krankheiten zu schützen oder sich von Krankheiten zu heilen. Die Mönche lernen 17 oder 18 Jahre in einem Kloster. Danach schickt der Meister den Schüler für drei Jahre in eine Höhle, damit dieser dort in spiritueller Übung verweilt. In dieser Zeit werden diese Übungen gemacht. Kurz gesagt, ist Lu Jong eine Art Gesundheitsgeheimnis der tibetischen Mönche.
Nun sind dies aber völlig andere Voraussetzungen als die, unter denen wir hier im Westen leben. Wir können uns nicht drei Jahre in Höhlen zurückziehen. Da stellt sich mir die Frage, ob es überhaupt sinnvoll ist, solche Übungen hier zu machen. Bedarf es da nicht einer Adaption?
Einmal wurde der Dalai Lama gefragt, wie er sich in die unterschiedlichen Menschen hineinversetzen kann, die ihm begegnen. Daraufhin antwortete er: „Für mich sind alle Menschen Brüder und Schwestern“. Und genauso hat auch Buddha gesehen, dass alle Lebewesen nach Glück und Gesundheit streben. Im Buddhismus bedeutet Erleuchtung das Ende jeglichen Leidens: psychischen Leidens, körperlichen Leidens. Somit ist die Lehre des Buddha als Überwindung von Leiden konzipiert. Und gerade im Westen kommt die sogenannte „Spiritual Care“, die eigene spirituelle Pflege, Selbstachtung und spirituelle Praxis viel zu kurz, weil alle so in die alltäglichen Vorgänge verwickelt sind. Lu Jong ist nicht nur für den Körper, sondern auch für das emotionale und psychische Gleichgewicht. Ich denke, es ist egal, ob man Schweizer, Deutscher oder Tibeter ist […]