Mascha Seitz ist eine junge visionäre Künstlerin, die es versteht, die inneren Seelenlandschaften des menschlichen Seins auf beeindruckende Weise abzubilden und solche Phänomene, für die es normalerweise keine passenden Worte gibt, greifbar zu machen und verständlich nach außen zu transportieren. Im YOGA-AKTUELL-Interview mit Kevin Johann gibt sie Einblick in ihre Arbeit.
Interview
Kevin Johann: Was genau steckt hinter der Bezeichnung “Visionäre Kunst“?
Mascha Seitz: Sicherlich gibt es hier von verschiedenen Künstlern unterschiedliche Antworten. Und jede Perspektive kann eine Bereicherung für diesen Begriff sein, der im deutschsprachigen Raum so noch nicht sehr tief geprägt wurde. Für mich bezeichnet Visionäre Kunst alles, was aus einem veränderten bzw. erweiterten Bewusstseinszustand heraus entsteht. Das kann natürlich sehr weit gefasst werden. Ich denke die Bewegung der global gesehenen Visionary-art-Szene beschreibt vor allem Erlebnisse aus schamanischen Zeremonien mit verschiedenen Pflanzen, Trance-Zuständen aus tiefen Meditationen, mit und ohne Substanzen und auch Zustände, die zum Beispiel durch Bewegung und Atmung hervorgerufen werden.
Gibt es Unterschiede beziehungsweise Abgrenzungen bezüglich visionärer, psychedelischer und fantastischer Kunst?
Da können und werden in verschiedenen Kreisen Unterschiede gemacht und da wollen Künstler auch gewisse Abgrenzungen sehen. Ich würde sagen, bei psychedelischer Kunst ist der Verweis auf bestimmte Substanzen, mithilfe derer man Zugang zu Visionen und Ideen bekommt, sicherlich deutlicher zu verstehen als bei visionärer Kunst. Die Abgrenzung zur fantastischen Kunst ist für mich persönlich nicht sehr entscheidend. Mein Gefühl ist, dass bei der fantastischen Kunst eben der Fokus auf die Tiefe und Kreativität der eigenen Fantasie gelegt wird, während bei visionärer Kunst erlebte mystische Erfahrungen greifen, die für den Betrachter nachvollziehbar werden. Die visionäre Kunst verfolgt einen Ausdruck, der in dem Betrachter selbst die Erfahrung auslösen könnte oder zumindest das Gefühl für die Erfahrung greifbar macht. Generell würde ich sagen, geht es in all diesen Genres darum, das Unsichtbare sichtbar zu machen.
Gab es bestimmte Schlüsselerlebnisse in deinem Leben, die dich dazu veranlasst haben, visionäre Kunstwerke zu schaffen?
Ich hatte vor einigen Jahren eine psychedelische Erfahrung und diese hat mir viele neue Perspektiven auf das Leben und auf Kunst gegeben. Es war ein Moment, in dem mir ein verloren gegangener Teil aus der Kindheit zurück geschenkt wurde. Die Magie und das Geheimnisvolle nahmen wieder mehr Platz in meinem Leben ein und ich habe mich mehr darauf ausgerichtet, im Leben dem Ruf meiner Seele zu folgen.
Woher nimmst du deine Inspirationen?
Ich glaube, Inspiration setzt sich aus verschiedenen Aspekten und Prozessen zusammen. Ich habe das Gefühl, für gewisse Dinge gibt es den richtigen Moment, Ort und die passende Intention. Manchmal komme ich in tiefe Meditation oder Trance und es passiert nicht besonders viel im Sinne von Visionen oder inneren Bildern. Aber sobald sich so ein Ereignis in mein Bewusstsein integriert hat und wie ein Keim Wurzeln geschlagen hat, kommen plötzlich wie scheinbar aus dem Nichts Ideen und Bilder. Das kann beim Abwaschen ebenso passieren wie während einer tiefen Atemübung. Daher versuche ich für mich einfach immer in einem „offenen“ Bewusstseinszustand zu leben, in dem ich voll empfänglich bin für die Eingebungen des Bewusstseins. Motive suche ich gerne in der Natur, in der heiligen Geometrie, in abstrakten und surrealen Welten und auch die fantastischen Traumwelten und Landschaften inspirieren mich in meinem Ausdruck.
Du bezeichnest dich als Bewusstseinsforscherin. Welche Techniken der Bewusstseinsarbeit nutzt du? Gibt es Präferenzen? Welche Bedeutung haben Yoga und Meditation für dich?
Meine Forschungen sind persönlicher Natur. Ich bin keine ausgebildete Psychologin oder habe sonstige Zertifikate. Bewusstseinsarbeit bedeutet für mich, in die Gedanken- und Gefühlswelt einzutauchen und zu beschreiben, was ich dort wahrnehme. Mit Worten, aber auch mit Bildern. Die Musik ist für mich dabei ein sehr bedeutendes Tool, da Musik in der Lage ist, die Emotionen in uns zum Schwingen zu bringen. Je nachdem, in welcher Stimmung ich mich befinde, wähle ich ruhige oder anregende Musik aus und lasse mich voll hineinfallen. Außerdem singe ich gerne Mantras und bin begeistert von Sanskrit, da ich diese Sprache als bedeutendes Werkzeug für Energiearbeit halte und als Brücke zum Mysterium der tiefen Intelligenz des Universums sehe. Altertümliche, uralte Lehren der Menschheit faszinieren mich insgesamt und ich halte sie für wichtige Tools in der Bewusstseinsforschung. Das alles ist für mich ein immerwährender Prozess des Entdeckens und Erlebens von allem, was mich ausmacht.
Mit Yoga habe ich wunderbare Erfahrungen gemacht. Yoga bedeutet laut den indischen Traditionen „Einheit“ und die Vereinigung aller Aspekte der Existenz. Es ist somit ein Schlüssel zu einer fundamentalen Balance und dem friedvollen Leben im Einklang mit der materiellen und der Gedankenwelt. Für mich vereint Yoga so viele Tugenden des körperlichen und geistigen Handelns, dass ich mich stets freue, Neues zu entdecken und zu lernen. Je nachdem, wie ich meinen Körper halte, ihn bewege, hat das Auswirkung auf meinen Geisteszustand und andersherum. Das ist kein Geheimnis, aber dennoch nicht immer klar greifbar, da wir gerne Geist und Körper getrennt betrachten. Ich genieße sowohl die Asanas in Harmonie mit der universellen Geometrie des Körpers als auch Atemübungen und Meditation. All diese Techniken bringen mich immer wieder in außergewöhnliche Bewusstseinszustände, die in vielen Fällen heilsam und energetisierend sind und mich im Leben wachsen lassen.
Gibt es andere Künstler und Künstlerinnen, deren Werke dich beeinflusst haben?
Unzählige! Angefangen hat es mit Salvador Dali. Mit elf Jahren war ich völlig fasziniert von den surrealen Traumszenerien, die er mit solcher Anmut und kraftvoller Authentizität geschaffen hat. Das hat mich mitgenommen in die Welten, die mir in meiner alltäglichen Umgebung fehlten, oder nach denen ich mich sehnte. Es öffnete Türen und half, meine Fantasie zu erweitern und es zu wagen, bildgewaltig psychologische Tiefen und Abgründe darzustellen.
Alex Grey steht auch auf der Liste der großen Inspirationen in meinem Künstlerdasein. Ich habe einmal einen Workshop bei ihm und seiner Frau Allyson gemacht. Dieser Workshop war ein Meilenstein in meiner Initiation als visionäre Künstlerin. Während einer Trommelmeditation entdeckte ich meine innere Göttlichkeit und war tief berührt von dem Setting, das die beiden aufgebaut hatten. Außerdem sind die Greys wunderbare offene Menschen und ich bin sehr dankbar, diesen unermüdlichen Talenten begegnet zu sein, die so viel für die visionäre Kunstwelt bewirken
Amanda Sage gehört ebenfalls zu den Künstlerinnen, die mich inspirieren und deren Techniken und Ideen mich sehr weiter gebracht haben. Heute veranstalte ich zusammen mit ihr gemeinsame virtuelle Kunsttreffen für die Visionäre Kunstszene weltweit. Der Vision Train ist ein offener Zoom-Raum, der 24 Stunden, sieben Tage die Woche nonstop läuft und bereits weltweit viele Hunderte Anhänger gefunden hat.
Welche Einsichten und Erkenntnisse haben dich privat und künstlerisch besonders geprägt?
Ich hatte eine Findungsphase in meinem Leben, in der ich mich immer wieder fragte: Warum möchte ich Kunst machen? Was ist der Sinn und Zweck? Braucht das jemand? Wozu ist das gut? Diese Frage hat mich sehr geplagt, denn immer wieder bin ich zu dem Punkt gekommen, dass es im Grunde keine Rolle spielt, ob ich kreiere oder nicht. Und dennoch erschloss sich der ganze Sinn nach und nach in den tiefen Begegnungen, die ich mit Menschen hatte, die sich von meiner Kunst und Kunst im Allgemeinen berühren ließen. Das Bedürfnis, in meinem Wirken „gebraucht“ zu werden, hat sich transformieren dürfen und eine neue Form angenommen. Die Form des natürlichen, aus sich selbst heraus gebärenden göttlichen Ausdrucks, in dem sich jegliches Verlangen nach Sinnhaftigkeit oder Nutzen erübrigt. Egal, was ich tue, wenn ich es aus der Kraft meines Herzens heraus erschaffe, erschließt sich der tiefe Sinn dahinter. Für mich lässt sich dieser Sinn nicht greifen. Es ist das große Unbekannte, das Geheimnisvolle auf den Wellen des Lebens, die man lernen kann zu reiten. Es ist eine bedingungslose Hingabe an das Unvorhersehbare und ein Sich-fallen-Lassen ins Vertrauen.
Eines deiner Werke, das mir besonders gut gefällt, hast du „Conscious creator“ genannt. Was war die Vision respektive die Erkenntnis dahinter?
Dieses Bild zeigt die selbstverständliche Ganzheit und Vollkommenheit von Bewusstsein. Es entstand in einem Gefühl tiefer Verbundenheit mit der gesamten Existenz. Ein Zustand, in dem alles seinen Platz hat. Wie ein Puzzle, dessen Teile alle perfekt ineinandergreifen und ein ganzes Bild ergeben. Diese Metapher finde ich sehr hilfreich beim Betrachten des Menschheitsgebildes. Jeder Einzelne für sich ist ein Universum aus Erinnerungen, Informationen und einmaligen Erlebnissen und alle zusammen ergeben ein zusammenhängendes Wesen, das als Ganzes agiert und wächst. Das Bild möchte dazu einladen, sich seiner inneren Wahrheit und deren Kraft anzuvertrauen. Es fungiert als Spiegel der leuchtenden Größe und Erhabenheit, die jeder Mensch in sich erkennen kann. Ich persönlich habe nach Vollendung des Bildes meditiert und mich auf das Auge in der Mitte der Brust konzentriert. Dabei entstanden euphorische, ja fast ekstatische Gefühle und das ist vermutlich ein weiterer Grund, warum ich Kunst mache. Sie schenkt mir Erlebnisse dieser Art, mit denen ich nicht rechne.
Bietest du Workshops oder Ähnliches an, wo interessierte Personen lernen können, wie man seine Visionen auf Papier oder Leinwand bringt? Oder wie man sein kreatives Potenzial am besten entfaltet?
Ich biete ein Kreativcoaching an für Menschen, die sich in ihrem einmaligen künstlerischen Ausdruck entdecken möchten. Dieser Prozess ist aufgeteilt in drei Bereiche: 1. Ich erarbeite mit dem Künstler Maltechniken und Materialkunde, je nachdem in welchem Bereich Entwicklung gewünscht ist und nach meinem Wissensstand. 2. Wir erarbeiten gemeinsam ein konzeptionelles Kunstwerk/Gemälde. Dabei leite ich verschiedene innere Reisen an, sozusagen visuelle Meditationen, die von Musik begleitet werden und es werden Skizzen und Ideen zu den Visionen zusammen getragen, die entstanden sind. Am Ende soll ein fertiges Gemälde in Öl oder Acryl herauskommen. 3. Wir beschäftigen uns mit dem intuitiven Malen und Zeichnen. Also ohne Plan und ohne vorherige Ahnung, wie das Ergebnis ausfallen soll, setzen wir uns spontan an die leere Leinwand oder vor das Zeichenpapier und legen los. Dabei lassen wir uns von unserer Hand, von der Musik und meinen Worten leiten. Es ist eine Übung in Vertrauen und Hingabe an den Moment. Dieses Coaching kann man über meine Website anfragen oder mir einfach eine E-Mail schreiben.
Du hast die Internet-Plattform „Connected-Creation“ ins Leben gerufen. Was ist die Vision dahinter?
Das Potenzial und die Bedeutung von Gemeinschaft und Künstlerkollektiven tritt für mich immer klarer ins Bewusstsein. Die Connected-Creation-Bewegung ist eine Einladung für Künstler, Sammler und Veranstalter, mit visionärem bzw. spirituellem oder holotropem Hintergrund, sich online zusammen zu finden. Seit dem Beginn der Pandemie ist es für Künstler unmöglich geworden, auf Veranstaltungen oder Festivals zu malen oder ihre Werke anzubieten. Daher soll diese Plattform eine virtuelle Ausweichmöglichkeit bieten und Menschen zusammenbringen, die von zu Hause aus weiter netzwerken und Projekte verwirklichen wollen. Dabei dürfen gemeinsame Co-Kreationen entstehen, Austausch stattfinden und das Ganze kostenlos jeden Sonntag auf Zoom. Auf lange Sicht soll sich die visionäre Stilrichtung auf verschiedene Kunstbereiche ausweiten: z. B. Naturkunst, Permakultur, Skulptur, Musik, Tanz und Bewegung sind sehr willkommene Ergänzungen. Außerdem bietet der Raum Möglichkeiten für Workshops und Vorträge, die von mir begleitet und gehostet werden.
Gibt es deine Werke auch als käufliche Kunstdrucke?
Das ist von Bild zu Bild unterschiedlich. Ich habe einen Etsy-Shop mit Kunstdrucken, das Ganze ist aber noch in stetigem Aufbau. Am einfachsten ist es momentan mir eine E-Mail zu schreiben mit dem gewünschten Bild und der gewünschten Größe, dann kann ich das perfekt auf die Bedürfnisse anpassen.
Vielen Dank für das Gespräch!
Weitere Informationen:
https://www.makasha-visions.com / info@maschaseitz.com
Offener 24/7 Zoom-Raum: https://www.visiontrain.org/
Mascha auf Etsy: https://www.etsy.com/de/shop/Makashavisions
Künstlerkollektiv Connected Creation: www.connected-creation.com