Lehren und Lernen: Das Verhältnis von Lehrer und Schüler. Ein Interview mit der buddhistischen Lehrerin Sylvia Wetzel
Zu keiner anderen Zeit wie heute hat es eine so große Vielzahl an spirituellen Systemen gegeben, die dem Menschen anbieten, seine psychische und spirituelle Entwicklung zu unterstützen. Aber bei der Flut von spirituellen Schulen und deren Lehrern, die den Westen in den letzten zehn Jahren überschwemmt haben, ist es nicht einfach, eine Tradition zu finden, die uns entspricht. Dazu kommt, dass wir sehr schnell von den äußeren Erscheinungen indischer Heiliger, japanischer Roshis oder tibetischer Lamas beeindruckt sind, uns von deren äußeren Erscheinung blenden lassen und ihnen blinde Verehrung entgegenbringen. Von dieser unkritischen Ergebenheit werden andere Menschen wiederum so abgeschreckt, dass sie versuchen, den Weg alleine zu gehen. In einem solchen Fall fehlt uns wiederum die Auseinandersetzung mit einem Menschen, der die Fallen des spirituellen Wegs kennt und der uns hilft, spirituelle Erfahrungen, die wir gemacht haben, zu verstehen und in unser Leben zu integrieren. Es gibt zwar einige Menschen, wie Ramana Maharshi, die Erleuchtung ohne einen Meister gefunden haben, dies ist jedoch eher eine Ausnahme. Sind wir hingegen eingebunden in eine Tradition und in Kontakt mit einem Lehrer, kann dieser uns helfen, die Erfahrung richtig einzuordnen und in unser Leben zu integrieren.
Interview
YOGA AKTUELL: Es heißt, dass wenn der Schüler reif ist, der Lehrer dann kommt. Stimmt das?
Sylvia Wetzel: Erfahrungsgemäß ist es so. Ich habe noch von niemandem gehört, dass diese Aussage nicht stimmt.
Wie ist das zu verstehen? Muss man dann Seminare bei verschiedenen Lehrern machen, bis man ihn oder sie getroffen hat? Oder kann man den Dingen seinen Lauf lassen und abwarten?
SW: Die Lamas schlagen manchmal folgendes vor: Solange du noch keine Person gefunden hast, bei der du lernen möchtest, besuche Vorträge und Kurse bei unterschiedlichen Lehrerinnen und Lehrern. Das bedeutet nicht, dass man hektisch von einem Vortrag zum nächsten rennt. Man geht dahin, wo man sich angezogen fühlt oder wenn einem jemand empfohlen wird. Damit schaffen wir die Bedingung, jemandem zu begegnen.
Ist es besser, sich einen Lehrer zu suchen, der aus dem eigenen Kulturkreis stammt oder jemand, der aus der Tradition stammt, die einen Menschen interessiert?
SW: Das kann man so allgemein […]