Ellen Johannesen unterrichtet Ashtanga Yoga und vertieft sich in die buddhistischen Lehren. Im YOGA-AKTUELL-Interview spricht sie über Buddhismus als Geistesschulung und klärt das eine oder andere weitverbreitete Missverständnis auf.
Von der professionellen Tänzerin zur Ashtanga-Yoga-Lehrerin und engagierten Buddhistin: Ellen Johannesen verbrachte drei Jahre in einem buddhistischen Kloster im Süden Indiens und studiert heute Tibetologie und Buddhismuskunde am Rangjung Yeshe Institute der Universität Kathmandu. Wir trafen sie in ihrer Wahlheimat Nepal und sprachen mit ihr über das Wesen buddhistischer Praktiken und deren Ähnlichkeiten mit Yoga.
Der Fokus liegt heute verstärkt auf Achtsamkeit, darauf, den Seelenfrieden zu finden, achtsam zu handeln. Buddhismus wird oft nur mit Meditation, Stille und Achtsamkeit in Verbindung gebracht. Aber tatsächlich geht es dabei viel um Geistesschulung, und das ist etwas ganz anderes! Da verändert sich die Sicht auf die Welt, auf den Geist.
Interview
YOGA AKTUELL: Liebe Ellen, welcher buddhistischen Tradition gehörst du an?
Ellen Johannesen: Der Nyingmapa-Tradition. Sie ist die älteste, eine Schule ursprünglicher Übersetzungen. Sie geht auf alte Übersetzungen tantrischer Lehren aus dem 8. Jahrhundert zurück.
Welcher Text liegt dieser Tradition zugrunde?
Nun, alle buddhistischen Schulen gründen auf den Lehren Buddhas. Tatsächlich studiert man also die grundlegenden Schriften, alte indische Weisheitslehren. Innerhalb der Nyingma-Schule gibt es alte tantrische Texte, aber – und hier wird es ein bisschen kompliziert –, es gibt in dieser Tradition auch so genannte Termas oder „Schätze“. Dabei handelt es sich um jüngere Texte, die etwa ab dem 10. Jahrhundert auftauchten. Verfasst wurden sie von Menschen besonderer Begabung, denen diese Texte einfach von der Erde oder den Bergen zugetragen wurden oder spontan in den Sinn gekommen waren. Das bringt frischen Wind in die traditionelle Philosophie und stillt das Verlangen nach etwas Neuem. So wird ein tantrischer Textkanon auf diese Weise etwa um eine neue Liturgie ergänzt. Wenn man sich immer nur mit uralten Texten befasst, die schon seit vielen, vielen Generationen weitergegeben werden, haben diese beizeiten einen altbackenen Beigeschmack, und der Weg zurück zum Textursprung ist auch unglaublich lang, da bringen die Termas eine frische Abwechslung. Die Nyingma-Tradition basiert nun eben auf diesen Termas. Einer dieser Texte gehörte zur Hauptgrundlage der Praktiken, die in dem Kloster, in dem ich lebte, ausgeführt wurden. Er stammt aus dem 17. Jahrhundert, […]