Ramakrishna (1836–1886) war eine der außergewöhnlichsten Erscheinungen unter den hinduistischen Mystikern. Sein äußeres Erscheinungsbild erinnerte an einen einfachen und armen Hindu. Aber seine Liebe für das Göttliche war so groß wie das grenzenlose Universum, in das er in seinen Gebeten eintauchte. Ramakrishnas Praxis bestand aus Ekstase. Inbrünstig betete er Shiva und Kali, Rama und Krishna an und glaubte fest an die Lehren des Vedanta. Er betete Gott in Bildern an – und meditierte gleichzeitig voller Verehrung und in tiefster Versenkung über die Vollkommenheit der einen gestaltlosen, absoluten, unendlichen Gottheit.
Ramakrishnas Erfahrungen lebten von der transzendentalen Einsicht in die namenlose göttliche Natur. Seine Gebete waren von einer so tiefen Liebe beseelt, dass sich sogar die Göttin Kali vor ihm offenbarte. Es heißt: „Er saß weinend vor der Statue der Göttin, rief sie um Hilfe an und flehte, sie möge sich ihm zeigen. Er aß und schlief nicht. In Verzweiflung versuchte er sich das Leben zu nehmen, da enthüllte Kali sich.“ Ramakrishnas Ekstasen waren von solcher Intensität, dass ihnen ein normaler Mensch nicht hätte standhalten können: „Solch einen Zustand erlangen gewöhnliche Menschen niemals. Schon ein Viertel seiner Intensität würde ihren Körper und ihren Verstand zerstören“, berichtete er selbst.
Die Essenz der Religionen ist identisch
Die Tiefe seiner göttlichen Erfahrungen führte dazu, dass Ramakrishna zum Avatar erklärt wurde. Man verglich ihn mit Buddha und Jesus. Im Laufe seines Lebens erreichte er den Nirvikalpa-Samadhi, den höchsten göttlichen Zustand, die „Nicht-Zweiheit“. Was ihn darüber hinaus außergewöhnlich machte, war seine Offenheit anderen Religionen gegenüber. Er setzte sich intensiv mit Islam und Christentum auseinander und erkannte, dass die Essenz aller Religionen gleich ist – auch wenn ihre Wege dorthin sich unterscheiden: „Ich habe alle Religionen praktiziert (…) Ich habe entdeckt, dass es derselbe Gott ist, zu dem alle ihre Schritte lenken, wenn auch auf verschiedenen Wegen. (…) Wohin immer ich blicke, sehe ich die Menschen im Namen der Religion streiten. (…) Aber sie denken nie daran, dass Er, der Krishna genannt wird, auch Shiva heißt und den Namen der Shakti, von Jesus und Allah ebenso trägt –
derselbe Rama mit tausend Namen. (…) Die Substanz ist Eine, unter verschiedenen Namen, und jeder sucht das Gleiche. Nur Klima, Temperament und Namen […]