Yoga und das Prinzip von Arbeit und Berufsalltag der gegenwärtigen Zeit könnten gegensätzlicher nicht sein. Deshalb haben wir diesem Themenfeld unser aktuelles Dossier gewidmet. Was sich bei näherer Beschäftigung mit diesen Inhalten herauskristallisiert, ist die Ungleichgewichtung und versteckte, weil gut getarnte, Unvereinbarkeit von Yoga und Berufsleben, die oberflächlich betrachtet natürlich ganz anders, nämlich als eine schillernde Erfolgsstory mit enormen Wachstumsmöglichkeiten daherkommt. Das Ungleichgewicht fällt zu Gunsten von Arbeit und Berufsleben, welche die starren, großen Rahmenbedingungen diktieren, und zu Ungunsten des Yoga aus, der, als kleiner Diener und Knecht seines übermächtigen Herrn, mit nichts als Aufräum- und Reparaturaufgaben beschäftigt ist, die der Moloch Arbeit gnadenlos absondert.
Die Dominanz von Arbeit in unserer heutigen Welt wird nicht nur an jenen sichtbar, die im unermüdlichen Räderwerk zermalmt wurden und Schaden nahmen, sondern auch an denen, die von diesem Prinzip ausgeschlossen sind und nicht mehr, oder nur unter großen Schwierigkeiten, daran teilnehmen dürfen. In beiden kann das Prinzip Glück nur noch spärlich zum Ausdruck kommen. Bei den Arbeitenden ist es der Diebstahl an Lebens- und Schicksalszeit, der für Trübungen sorgt, bei den Nicht-Arbeitenden die Verzweiflung, von einem allmächtigen Prinzip ausgeschlossen zu sein, das sich uns als neuzeitlicher „Heiliger Gral“ präsentiert, der seinen dämonischen Inhalt erst auf den zweiten Blick enthüllt.
Das Prinzip des Arbeitens, so wie wir es verstehen, ist noch nicht so lange in der Welt. Es spiegelt sich darin die Entwicklungsgeschichte der Menschheit wider und ihr schrittweiser Verlust von Seinsqualität hin zu bloßem Funktionsträgertum einer unersättlichen Produktions- und Wachstumsmaschinerie. Dieses Prinzip ist so allmächtig, dass es uns kaum gelingen mag, ihm zu entkommen, oder es gar als feindlich zu betrachten. Wir atmen es mit der uns umgebenden Atemluft und saugen es bereits mit der Muttermilch ein. Wir werden geboren, und alles, was wir von da an tun, ist, uns vorzubereiten auf unser Arbeitsleben, das schließlich den Rest unserer Existenz bestimmen wird. Wir sind darauf programmiert, zu machen, zu schaffen, zu organisieren, aktiv und produktiv und, vor allem, wirtschaftlich zu sein.
Vorbei sind die Zeiten von Spiel und Muße, die zweckfrei allein unserem Dasein geschuldet sind. Kaum ein Spiel, das in der heutigen Zeit nicht zur Arbeit mutiert wäre. Stellen wir uns z.B. ein Fußballspiel (oder viele andere Sportarten) vor, das nur zum Spaß gespielt würde, oder Kunst, die rein aus Freude am Schöpferischen entstünde, ohne an die Zwecke des Molochs Arbeit gebunden zu sein.
Der Zwang, aus allem eine Arbeit machen zu müssen, verbannt unsere Lebenskraft an die Randbezirke des Daseins, das als solches, angefüllt mit Leblosigkeit und toter Zeit, seine Würde verloren hat. Wir spüren zwar, dass unsere Lebenskraft verzehrt wird; aber wir werden ja für unsere Arbeit entlohnt – mal fürstlich, mal weniger fürstlich. Und diese Entlohnung ermöglicht es uns immerhin, die Erzeugnisse aus unserer und der Arbeit anderer wiederum zu verzehren. Hier schließt sich der dämonische Kreis des großen Fressens.
Yoga und Meditation können mit ihren Methoden und Erkenntnissen jenen helfen, die bei diesem großen Fressen Schaden nehmen, geschwächt werden, oder gar auszufallen drohen. Sie vermögen uns mit Quellbereichen in Berührung zu bringen, die aus Erfahrungsepochen stammen, welche vor dem Zeitalter von Arbeit und Arbeitern ein Dasein hatten.
Die Qualität des in den Berufsalltag eingebrachten yogischen Bewusstseins wird zeigen, ob es sich als brauchbarer Diener und Knecht, als Flickschuster und Reparateur dem System nur dienstbar macht oder durch sein Potenzial seine seinsbildenden Kräfte entfacht. Hier kann es zur Zersetzung, ja, zur Sprengung einer Vorherrschaft kommen, die das System nur schwer hinnehmen wird.
In jedem Fall wird es zu einer Offenbarung der angewandten yogischen Methoden führen. Es wird sich zeigen, ob nicht auch der Yoga, wie wir ihn heute in der westlichen Welt leben, längst von den Zwängen schweißtreibender Arbeitsprinzipien und Willensanstrengungen besetzt ist, oder ob es sich noch um den verspielten Yoga handelt, spontan aus Müßiggang und Muße entstehend und deshalb fähig, die Quellen unseres Daseins zu berühren.