Ich liebe es zu genesen. Gleichzeitig genieße ich auch gerne. Denn im „Ge-nuss“ ist ein heimlicher „Ge-nius“ verborgen wie der Kern in einer Nuss, die geknackt werden möchte. In der Weihnachts- oder Winterzeit beispielsweise knacken wir besonders gerne viele Nüsse. Der Winter ist offenbar eine günstige Zeit, um harte Schalen zu knacken, insofern wir diese Jahreszeit dafür nutzen und das winterlich-spirituelle Entwicklungspotenzial der Möglichkeit innerer Wesensschau nicht verdrängen. Solche Schalen verhüllen als Seinshüllen auch des Menschen innersten Kern, den Nukleus sozusagen, den der Geist des Yoga als das „kerngesunde Wesen“, als ewigen Atman bezeichnet.
So hat sich also der Atman durch dich und mich in Schale geworfen. Und besonders gerne im natürlichen „Lockdown“ der Winterzeit, klopft er als „Nukleus“ alias „Niklaus“ von innen gegen die Schalen wie ein schlüpfendes Küken im Ei. Er möchte sich durch seine Klopfzeichen, oder vielmehr sein „Herzklopfen“, wieder in Erinnerung rufen. Besonders dort, wo er in Vergessenheit geriet. Besonders dort, wo seine Schalen zu hart und zu braun gebacken wurden im Feuerherd unserer Verdauung. Dieser obliegt als „Esse“ die wichtige Aufgabe, aus unserer Nahrung, aus unserem „Essen“, die „Essen-z“ herauszukristallisieren.
„Ich bin die Nahrung des Lebens …“, singt der erleuchtete Geist in der Taittiriya-Upanishad, einem alten vedischen Weisheitstext. So versteht sich „Nah-rung“, die wir essen, immer als „Nähe-rung“, als „An-nähe-rung“ an die „Essen-z“ unserer Gottnatur (Atman), bis hin zur vollkommenen Verschmelzung und schlussendlichen Vermählung im heiligen „Abend-mahl“. Entsprechend förderlich ist eine Nahrung, die von sattvischer, reiner und lichtvoller Natur ist.
Die Nahrungsmittel, aus denen wir unsere Schalen oder Seinshüllen bilden, sind nicht nur physische Stoffe, sondern auch Gefühle in Form von Emotionsstoffen sowie Gedanken in Form von Mentalstoffen. Aber auch höhere Erkenntnisstoffe bis hin zur höchsten, lichtvollsten Nahrung von reinem, anandischem Nektar und Ambrosia gehören im Prinzip zu unserem Speiseplan.
Was aber, wenn vieles von dem, was wir auf den unterschiedlichen Ebenen zu uns nehmen, so ungenießbar und schwer zu verdauen ist, dass wir „ungenesbar“ zu werden drohen? Wenn wir die Orientierung und das empfindsame Gespür verlieren, welches grob- oder feinstoffliche „Essen“ unserer „Wesens-essen-z“ entspricht? Wie sind frei darin zu entscheiden, welche Qualität an Nahrung wir zu uns nehmen. Wir sollten uns aber dessen gewahr sein, dass diese Qualität letztlich die Zusammensetzung und das Bewusstsein unserer Seinshüllen oder Koshas bestimmt, in denen, je nach Reinheit, der Herzschlag unseres atmischen Lebe- und Liebewesens mehr oder weniger lebendig zu pulsieren vermag.
Am Essen soll der Mensch „gen-esen“ und sich erinnern, wer er in seinem „W-esen“ wirklich ist. Nehmen wir jedoch aus der Masse der unüberschaubaren Nahrungsangebote allzu wesensfremde Bestandteile auf, kann leicht in „Verg-essen-heit“ geraten, wer oder was wir in unserem göttlichen Kern sind. Uns selbst wesensfremd geworden, landen wir so als Gefangene im Traum des „Verg-essens“. Im Traum des „Verg-essens“ ist des Menschen Verdauung erheblich gestört und der physische, emotionale und mentale Darm aus dem Gleichgewicht geraten. Denn die Übermacht der von uns aufgenommenen, „un-ver-dao-lichen“ Stoffe ist zu groß.
Als Prinzip der „Ver-dao-ung“ ist unser „Darm“ nicht nur ein geheimnisvolles Werkzeug des alldurchdringenden DAO, sondern auch der grob- und feinstoffliche Wächter des „Dharm-a“. Der Begriff des Dharma stammt aus dem alten Indien und repräsentiert unsere innere Wesensbestimmung, die in ihrer höchsten und endgültigen Form unserer Gottnatur (Atman) entspricht. Als Leuchtfeuer des kosmischen Gleichgewichts erhalten alle erschaffenen Geschöpfe durch den Dharma ihre innere Orientierung und Ordnung. Geht diese verloren, tritt in der Welt der Zustand des Adharma ein. Der Darm verliert sein Gespür, das Wesentliche vom Unwesentlichen zu unterscheiden und entsprechend unserem Wesen zu verwerten. Obgleich vollgestopft wie eine „Weihnachts-Gans“, fühlt sich der Mensch in seinem Wesen nicht mehr wirklich genährt. Er hungert insgeheim, während er vom Überfluss unverwertbarer und unverdaulicher Nahrungsangebote überwältigt ist.
Diese lagern sich als braune, dichte Masse, als „Scheißmus“, als „Schiß-mus“ und schließlich als „Fa-schis-mus“ in die physische, emotionale und mentale Hülle des Menschen ein. Dort verkrusten sie sich zu harten Schalen, die mindestens eines weihnachtlich-winterlichen Nussknackers bedürfen, um jemals wieder geknackt werden zu können. So ist der vom Geist des Faschismus gelenkte Mensch einer, der sich hat überwältigen lassen, der nicht mehr unterscheiden und spüren konnte zwischen eigenem Wesen und Wesensfremdheit. Der sich von Kräften und Interessen hat besetzen und überstülpen lassen, die ihn aus sich selbst vertrieben und von seinem Selbst entfernt haben. Deshalb ist er ein In-die-Flucht-Geschlagener, der als getrenntes Wesen das atmische Lied von „Ich bin die Nahrung des Lebens …“ nicht mehr singen kann.
Im mayischen Traum der Selbst-Vergessenheit entwickelt er dafür umso mehr die Kunst der Projektion. Im seltsamen Gefühl innerer Fremdheit, Empfindungslosigkeit, Gefangenschaft und der Unfähigkeit, eigenständig zu denken, richtet er den anklagenden Strahl seiner Projektion auf alles ihm Fremde, Freie, Empfindsame oder Andersdenkende, das ihm begegnet. Und entfesselt darin den zerstörerischen Atem seines unbefriedigten, haßerfüllten Hungers.
Wann immer grob- oder feinstoffliche Nahrung verdreht, manipuliert, vergiftet, denaturiert, mit Nachdruck oder Zwang in die Welt gebracht oder von uns aufgenommen wird, säen wir die Saatkörner des Faschismus. So wird unser heiliges Bedürfnis nach Essen und „Essen-z“ zum „Pr-essen und „Er-pr-essen“ missbraucht und somit zum Diktat und zur Diktatur. Alle in der Vorstellung von Absolutheit gegründeten Denksysteme, ob politisch, wirtschaftlich, wissenschaftlich, gesellschaftlich oder religiös, münden schlussendlich in einer solchen. Also seien wir uns der Verantwortung bewusst, wenn wir den Geist von „Ich bin die Nahrung des Lebens …“ durch unsere Handlungen in die Welt hineintragen.
Erst im winterlich-spirituellen Erinnern des herz-klopfenden „Nukleus“ alias „Niklaus“ braucht die „Weihnachts-Gans“ als unser geflügeltes, himmlisches Wesen von nichts und niemandem mehr „gestopft“ zu werden. Wir sind „sat“, also vom „wahren Sein“ (sanskr. = sat) genährt und erfüllt, weil uns die „Gan-s-heit“ des Lebens bewusst geworden ist. Stellen wir jetzt, egal zu welcher Jahreszeit, den Teller (Kamandalu) raus, legt uns der Niklaus-Nukleus bestimmt was drauf. Und an dieser heiligen Speise, an diesem Prasad, können wir im Genießen „ge-nes-en“ und in unserer „Ge-nes-is“ endlich im all-liebenden atmischen Nest unseres Wesens ankommen.