Bildung ist ein großes Thema. Ein Expertenthema. Mit dementsprechender Wichtigkeit wird es immer wieder vorgetragen. Bildungsstandards werden gelegentlich angehoben oder sie bilden sich zurück. Möglicherweise ist das Bildungswesen mit einer Art Stellschraube ausgestattet, an der Bildungsexperten bei Bedarf drehen können. Jede Drehung hat Auswirkungen und betrifft zuallererst Kinder, Jugendliche und junge, sich in Ausbildung befindliche Menschen. Das Drehen an der Schraube hat natürlich Strengecharakter. Wird stark an der Schraube gedreht, weil Bildungsexperten beispielsweise meinen, in nationalen oder internationalen Wettbewerben mithalten bzw. glänzen zu müssen, sondert das Bildungswesen ein Fluidum des Zwangs ab, unter dem nicht wenige junge Menschen zu leiden beginnen.
Warum jedoch Bildung mit Strenge, Zwang und Leiden verknüpft sein muss, bleibt rätselhaft.
Was aber, wenn unsere politisch korrekte Vorstellung von Bildung diese in ihrem wirklichen Wesen gar nicht erfasst, sondern an ihr vorbeigreift und das mysteriöse Wort lediglich kalkulierend benutzt? Was, wenn es Bildung gar nicht mehr gäbe, wenn sie sich längst zurückgezogen hätte, ob der Arroganz der Heerscharen von sogenannten „aufgeklärten“ und „gebildeten“ Zeitgenossen?
Vielleicht ist es an der Zeit, den Begriff „Bildung“ einmal genauer zu untersuchen.
Was bewirkt das Wort „Bild“ in Bildung? Es bringt zum Ausdruck, dass das bildhafte Erfassen bzw. Erfahren von einem Etwas – von einem Lebewesen, einem Gegenstand, einem Geschehen, einer Erscheinung etc. – in uns aufscheint. Dies ermöglicht uns ein intuitives, tiefes Verstehen der gestaltenden Kraft, die die Erscheinung bewirkt. Bildung erfasst das ganze zusammenhängende Bild einer Erscheinung, den sichtbaren wie den unsichtbaren Bereich. Bildung erschaut den Ursprungsort der Manifestationen, die in unserer Welt Gestalt annehmen, Form bekommen und schließlich Erscheinung und Gegenstand werden. Bildung beruht nicht auf Information, Bildung beruht auf Intuition. Sie erfasst zuallererst das Wesenhafte, sie erspürt es. Sie begnügt sich nicht mit der Spitze eines Eisberges, den unsere äußeren Sinne sehen können. Stoffliche Zusammensetzungen und Funktionen sind für sie zweitrangig. Auf das Betrachten einer Pflanze bezogen, wie zum Beispiel eines Lindenbaumes, erfasst Bildung auf Seelenebene das Gestaltwesen des Baumes, die durch ihn wirkende Kraft, und findet dafür möglicherweise in Gebärde und Sprache einen gleichnishaften, vielleicht auch künstlerischen Ausdruck.
Dieser Prozess kann in Kursen und Bildungsmaßnahmen nicht geübt werden, braucht es auch nicht, da jedes Lebewesen aus sich heraus auf natürliche Weise „gebildet“ ist. Was jedoch geübt werden kann, ist das mühevolle Abtragen der riesigen Informations-Schuttschichten, die uns das Staatsschul- und Bildungswesen vielfach unter Zwang aufgepfropft hat.
Dass Bildung ein hohes Gut darstellt, kann nicht bezweifelt werden. Dass unsere Altvorderen an diesem kostbaren Schatz im Vergleich zu uns einen größeren Anteil hatten, steht für mich außer Frage. In den Mythen, Märchen, Geschichten, aber auch in alten Namen, Bezeichnungen und Symbolen erscheint der Bildungsreichtum unserer Ahnen als Leuchtfeuer bis in unsere Zeiten hinein.
Da ist es nur folgerichtig anzunehmen, dass ein solch hohes Gut auch hohen Ursprungs sein muss. Schon die Silbe „bil“ im Wort Bildung weist uns darauf hin, da wir hier eine Wortursprungsverbindung zum keltischen Sonnengott „Belenus“, aber auch zum germanischen Sonnengott „Balder“ ableiten können. Ohne das innere und äußere Licht einer Lichtquelle wie der Sonne könnte kein Bild, keine Erscheinung, kein Verstehen und kein Wissen entstehen, und unsere Welt würde dumpf in Dunkelheit dahinsiechen. Und so strömt der Lichtfluss aus der Quelle durch die verschiedenen feineren, astralen Welten, von Welt zu Welt an Leuchtkraft verlierend, bis in unsere dichte Erdenwelt hinein. Äußerlich leuchtend genug, die Materie aufscheinen zu lassen, innerlich leuchtend genug, um Erkenntnis zu ermöglichen.
So entsteht Bildung. Einfach und aus der Natur. Vielleicht kann uns Yoga dabei unterstützen, uns des Künstlichen, Aufgepfropften zu entledigen. Vielleicht können Stille, Meditation und Entspannung den natürlichen Bilder- und Bildungsfluss in uns wieder zum Fließen bringen. Vielleicht schenkt uns Yoga einen Schutzschild, der den auf uns und unsere Kinder hereinbrechenden Hagelschauer der Bilder- und Informationsflut abzuwehren vermag. So dass unsere eigenen Bilderwelten wieder zu sprechen lernen und wir vom „Eingebildeten“, der Bilder und Informationen von außen eingepflanzt bekommt, zum „Ausgebildeten“ werden, der aus seinem natürlichen Zugang zur Quelle seine Bilder gebärt.
Dies ist die Geburtsstunde der Gebärde, einer Gabe der Himmelsväter an die Erdenmütter, die zusammen in heiliger Kommunion die Schöpfung hervorbringen.