Wie Körper und Geist gewohnheitsmäßige Muster und Vermeidungsstrategien kreieren, mit denen man auf alltägliche Erfahrungen reagiert – sei es in unseren Beziehungen oder in der Arbeit. Ein Interview mit Diane Eshin Rizzetto.
Die Wand vor mir ist weiß. Und trotzdem produziert mein Verstand weiterhin Zehntausende von inneren Bildern. Erstaunlich, was mein inneres Kopfkino so herstellt und das, obwohl ich hier über mehrere Tage hinweg nicht sonderlich viel äußere Reize erhalte. Ich befinde mich im Haus Engl in Niederbayern. Das Seminarhaus verdient seinen Namen zu Recht. Die Führung ist ausgesprochen liebevoll und das Essen himmlisch. Für sechs Tage haben sich hier 17 Menschen aus Schweden, Niederlanden, England und Deutschland getroffen, um an einem Zen-Sesshin der amerikanischen Zenlehrerin Diane Eshin Rizzetto teilzunehmen. Diane, eine Frau Anfang Sechzig, ist die Nachfolgerin der amerikanischen Zenlehrerin Joko Beck, die bei uns vor allem durch ihr Buch „Zen im Alltag“ bekannt wurde. Genau wie Joko Beck legt auch Diane ihren Schwerpunkt der Zenpraxis darauf, den Alltag bewusst zu erleben und mit der größtmöglichen Aufmerksamkeit zu bewältigen.
In den 60er und 70er Jahren war Zazen, die Meditationspraxis des Zen fast ausschließlich darauf ausgerichtet, Konzentration und Bewusstheit zu entwickeln. Was fehlte, waren die praktischen Ansätze, diese Bewusstheit in den Alltag zu integrieren. Die von Joko und Diane vertretene Zenpraxis setzt genau an diesem Punkt an. In ihrer Praxis ist ein wichtiger Schritt auf dem Übungsweg, zu erforschen, wie Körper und Geist gewohnheitsmäßige Muster und Vermeidungsstrategien kreieren, mit denen man auf alltägliche Erfahrungen reagiert – sei es in unseren Beziehungen oder in der Arbeit.
Um zu erkennen, wie sehr wir an unseren Meinungen und Konzepten festhalten, bietet sich ein solches Zenretreat in der Abgeschiedenheit besonders gut an. Denn erst hier im Angesicht der weißen Wand höre ich, wie mein Verstand plappert, wie er alles und jeden, der mir hier im Retreat begegnet, in irgendeiner Form bewertet. Auch wird mir hier in der Ruhe bewusst, dass meine Gedanken vom Gestern ins Morgen und vom Übermorgen ins Vorgestern springen, so wie ein kleiner Affe von Ast zu Ast hüpft.
Mein Verstand steigt auf jeden Gedanken ein, der in meinem Bewusstsein entsteht, wie fruchtlos, destruktiv, traurig oder erhellend er auch sein mag. Die Analogie zwischen meinen Verstand, den Gedanken und der […]