Der Zusammenhang zwischen Geist und Lebensenergie: Wie du Prana mehr Raum im Leben gibst und dich dadurch wieder in die unmittelbare Erfahrung des Daseins begibst.
Eine meiner Lieblingslehren stammt aus der Hatha-Yoga-Pradipika (Kapitel 2, Vers 2):
chale vāte chalaṃ chittaṃ niśchale niśchalaṃ bhavet |
yogī sthāṇutvam āpnoti tato vāyuṃ nirodhayet ||
„Ist der Atem unstet, so ist auch der Geist unstet. Durch den Stillstand (des Atems) kommt auch der Stillstand (des Geistes) zustande, und der Yogi erlangt Beständigkeit. Deshalb soll er den Atem zum Halt bringen.“
Laut diesem Vers sind der Geist (Chit) und die Lebensenergie (Prana) miteinander verbunden, wie zwei Fische, die im Gespann schwimmen. Wo der eine hingeht, dorthin folgt der andere. Zwar ist in der Übersetzung dieses Verses gewöhnlich davon die Rede, dass der Atem beruhigt oder gar angehalten wird, um den Geist zur Ruhe zu bringen, aber es steckt wesentlich mehr hinter dieser Lehre, als man auf den ersten Blick erkennt, und sie ist für den Yogapraktizierenden von großer Bedeutung.
Ein Meditationsmeister wurde einmal gefragt, was denn eigentlich mit der Welt falsch gelaufen ist. Nach einer kurzen Pause antwortete er: „Mit der Welt stimmt alles – das Problem ist, dass die Menschen in Gedanken verloren sind.“ Seine kurze Aussage trifft es genau. Wir merken selbst, wie oft wir uns jeden Tag in Gedanken und Geschichten verlieren und dabei das Leben verpassen, das sich vor uns entfaltet.
Die Verbindung von Atem und Bewusstsein ist eines der größten Geschenke des Yoga. Wir beginnen unsere Praxis, indem wir darauf achten, wie sich der innere Atem bewegt, unterstützt durch die bewusste Bewegung des Körpers (Vinyasa). Wenn wir beobachten, wie sich der Atem in unserem Körper bewegt, können wir unser Erlebnis nicht mehr konzeptualisieren oder uns in unseren Geschichten verlieren.
Anstatt die Welt und alles darin in ein Konzept zu wickeln, können wir einen Schritt zurücktreten und beobachten. Wenn wir aufhören, unseren Körper, unsere Gefühle und sogar unsere Gedanken zu manipulieren, erschließen wir den Prana, die Energiestruktur der Intelligenz. Anstatt über unsere Erfahrung „nachzudenken“, fühlen wir sie tatsächlich als Leben selbst. Wir entdecken die Welt aufs Neue und tauchen ins reine Mysterium und ins Staunen ein.
Wenn wir Prana […]