Zurück zu den Wurzeln: schamanische Rituale und das ganzheitliche Verständnis von Heilung, auf dem sie basieren
Okuirede ist ein Wort aus der Sprache der Witoto und bedeutet „achtsam sein“. Der Begriff „Medizin“ kommt vom lateinischen „mederi“ – „heilen“, und zugleich entspringt er aus dem indoeuropäischen Wortstamm „med“ (= „messen“), der sich mit „reflektieren“ oder „adäquate Maßnahmen ergreifen“, „das richtige Maß finden“ übersetzen lässt. In der Praxis ist Okuirede ein Modell zur Entwicklung des menschlichen Potenzials im Bereich Prävention und Heilung von Krankheit, wobei das Okuirede-Modell auch vielfältige Anwendungsformen in den Bereichen Krankheitsdiagnose und Selbstheilung bietet.
Neben ihrem enormen Potenzial in der Gesundheitserhaltung bietet „Nïkaï beite”, wie die Witoto ihre Medizin nennen (Nïkaï bedeutet „Traum“, „Exstase“ und „beite“ soviel wie „treffen“), die Möglichkeit, beinahe verloren geglaubte indigene Traditionen wiederzubeleben. Gerade heute sind diese unentbehrlich, um uns kulturell neu zu definieren und unsere Wurzeln wiederzuentdecken.
Die OKM (Okuirede-Medizin) ist kulturell betrachtet die Tochter einer uralten Tradition indigenen Wissens im kolumbianischen Amazonasgebiet, aber sie zeichnet sich durch einen ganz eigenständigen Charakter und eine eigene Sprache aus. Um die OKM zu verstehen, ist es daher unentbehrlich, sich tiefer mit den Grundsätzen ihrer Schöpferkultur auseinanderzusetzen.
Die Duga: Entfaltung der Intuition und Anregung des Sprachzentrums
Beginnen wir mit der genaueren Betrachtung der Duga, einer alltäglichen Praktik in den traditionellen amazonischen Gemeinschaften der Witoto. Duga bezeichnet, um es in aller Kürze darzustellen, eine Suche nach der (Er-)Kenntnis des Selbst und des Universums. Dabei steht im Mittelpunkt das Wort – bei den Witoto die Essenz des Menschseins (Das Wort wird in diesem Artikel im Sinne von griechisch „logos“ verwendet – es bezeichnet sowohl die Dimensionen von Wort und Rede sowie deren Gehalt [„Sinn“], aber auch das geistige Vermögen und was dieses hervorbringt [„z.B. „Vernunft“]).
Zwei Pflanzen stehen innerhalb der Duga-Zeremonie stellvertretend für die gesamte Natur: Tabak und Coca, das weibliche und das männliche Prinzip.
Tabak wird in Form einer Paste verarbeitet, dazu werden die Blätter so lange in Wasser ausgekocht, bis eine dicke, zähflüssige Masse daraus entsteht, die im Anschluss mit pflanzlichem Salz vermischt wird. Die Coca-Blätter hingegen werden frisch geerntet, vorsichtig geröstet und in pulverisierter Form mit der Asche bestimmter Pflanzen vermengt, zumeist sind dies Blätter des Baumes Cecropia discolor. Die Tabakpaste, bei den Witoto „Yera“ genannt, wird nach […]