Synergien: Dr. Karl Baier, Assistenz-Professor für Christliche Philosophie an der Katholischen Fakultät der Universität Wien, ist auch Yoga-Lehrer der Iyengar-Tradition. YOGA AKTUELL interessierte, wie sich dies miteinander vereinbaren lässt und sogar gegenseitig befruchtet
YOGA AKTUELL: Sie haben Theologie und Philosophie studiert und sich auf christliche Philosophie spezialisiert. Wie entstand das Interesse am Yoga?
Dr. Karl Baier: Eigentlich war das umgekehrt. Ich bin vom Yoga zur Philosophie und Theologie gekommen. Nach dem Abitur ging ich nach Wien, um am Institut von Frau Dr. Susanne Schmida, der Lehrerin meiner deutschen Yoga-Lehrerin, eine Ausbildung zu machen. Susanne Schmida war gelernte Philosophin. Sie verband in ihrer Schule Gymnastik, Ausdruckstanz, Yoga und Meditation mit dem Versuch, diese Praktiken philosophisch zu durchdenken. Jeden Samstag trafen wir uns zu einem philosophischen Arbeitskreis, der ihre Philosophie diskutierte. Der Unterricht hatte ein intellektuelles Niveau, das ich aus meinem früheren Yoga-Unterricht nicht kannte. Unsere Gespräche motivierten mich schließlich dazu, Philosophie zu studieren. An der Universität hatte ich Professoren, die mir besonders die mittelalterliche Philosophie, Thomas von Aquin, Meister Eckhardt oder Nikolaus Cusanus, aber auch die moderne Phänomenologie näher brachten. Das hat ein intensives Interesse an christlicher Philosophie bei mir geweckt.
Schwierig ist die Trennung von Spiritualität und Religion… Viele glauben, dass eine Religion wie das Christentum und Yoga als spirituelle Praxis einander ausschließen. Wie sehen Sie das?
Auf Theologie wurde ich erstmals aufmerksam, als ich beim Durchblättern des Vorlesungsverzeichnisses der Universität Wien entdeckte, dass es im Rahmen katholischer Theologie ein Fach namens Spiritualität gab. Dort wurden u.a. christliche Mystik, Gebet und Meditation behandelt. Spontan und ein wenig naiv dachte ich, das entspricht ja der Yoga-Theorie, wie ich sie von Patanjali her kenne. Damals in den 1980er Jahren gab es diese Gegenüberstellung von Religion und Spiritualität, wie sie jetzt immer üblicher wird, noch nicht. Für mich ist Spiritualität bis heute eine Dimension des Mensch-Seins, die zu jedem menschlichen Leben gehört. Sie ist kein Gegensatz zur Religion, sondern wird in den Religionen auf vielfache Weise gelebt, kann aber auch außerhalb von ihnen praktiziert werden.
Lassen sich Rosenkranz-Beten und Mantra-Rezitation als spirituelle Praktiken vergleichen? Ist der Zweck der gleiche, oder geht es um etwas anderes?
Beim Rosenkranz gibt es sogar eine historische Verbindung. Das Verwenden von Gebetsketten ist von Indien über den […]