In Mexiko verschwimmen während des „Día de Muertos“ die Grenzen zwischen dem Reich der Lebenden und der Toten, und die Gevatterin Tod wird wie eine Heilige verehrt. Iris Disse begab sich auf Spurensuche und tauchte in ein berührendes Miteinander von dies- und jenseitigen Seelen ein.
Die Mexikaner sind anders,“ denke ich, als ich gegen Mittag ins Hotel Isabel la Católica im historischen Zentrum von Mexiko Stadt komme, die alte schwere Holztür öffne und mir ein fröhliches Skelett aus Pappmaché entgegenspringt. Ich checke ein. Beim Öffnen der Toilettentür geht ein Sargdeckel auf, und ein anderes Skelett setzt sich freundlich grinsend auf.
Ich bin hier, weil ich etwas über den Umgang mit dem Tod lernen will. Memento mortis, gedenke des Todes, hieß es im Mittelalter, und aus dieser Zeit gibt es auch in unserer Kultur Bilder von tanzenden Skeletten und Totenschädeln. Aber die Stimmung ist meist düster – nicht zu vergleichen mit den koketten Skeletten, die mir hier überall begegnen.
Meine Schwester starb und war einfach weg, das ist bis heute für mich nicht fassbar. Hier bleibt man in Kontakt, die Welten sind nicht getrennt. Die Toten kommen einmal im Jahr zu Besuch und essen sich satt. Und die Heilige Frau Tod wird angebetet wie die Jungfrau Maria. Das will ich erleben.
1. Tag Hotel
In der Abenddämmerung in Mexico Stadt schrecke ich hoch. Ich träumte, dass mein Vater das Gutenachtlied auf der Viola spielt: „Morgen früh, wenn Gott will, wirst du wieder geweckt.“
Ich weiß noch, dass mir das immer ein bisschen Angst gemacht hat – „Wenn Gott will“, was soll das heißen?
2. Tag Ein Park in Mexiko Stadt
Am Morgen habe ich mir an einer Straßenecke einen Strauß Gladiolen gekauft. Es sind wilde, mit kleinen Blüten. Feuerrot. Explodiertes Leben in diesem sterilen Hotelzimmer.
Jetzt sitze ich auf einer Bank in einem kleinen Park mitten in der Altstadt. Ich schaue einem Mann zu, markantes Gesicht, Hut auf dem geschorenen Kopf – was für eine sexy Stimme. Er steht hinter einem Wägelchen mit einem Eisblock und Flaschen mit buntem Inhalt. Die Leute zeigen drauf, und dann schabt er Eis ab und schüttet diese Flüssigkeiten darüber – pink, giftgrün, knallgelb, die Kinder haben Freude dran.
Ich frage ihn: „Was machen Sie da?“
„Rasgo […]