Eine animistische Sicht auf die Natur, wie wir sie als Kinder noch hatten, ermöglicht uns eine wahrhaftige Beziehung zu unserer natürlichen Umwelt – und ist genau die Basis, auf der wir unsere Arroganz ablegen können, durch die das heutige ökologische Desaster entstand.
Nun, da wir uns immer weiter in eine voll ausgewachsene Krise globaler Erwärmung und schwindender Biodiversität hineinbegeben, besteht eine gefährliche Verlockung, uns ausschließlich auf praktische Lösungen für die Misere zu fokussieren – auf Elektro-Autos, Wind- und Solarenergie, intelligente Häuser, Batterien der neuen Generation, weniger Fleischkonsum (oder gänzlichen Fleischverzicht) usw. Doch während praktische Alternativen zu unserer Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen und nicht-nachhaltiger Landwirtschaft dringend gebraucht werden, greift ein alleiniger Fokus auf neue Technologien zu kurz, um die tiefste der Krise zugrunde liegende Ursache anzugehen, die keine technologische oder wissenschaftliche, sondern eine philosophische ist. Ohne eine Veränderung in der Sicht auf die Welt, die uns in diese Krise hineingeführt hat, ist zu bezweifeln, dass wir jemals hinausgelangen werden.
Animismus – die gesamte Natur als lebendig und beseelt wahrnehmen
Die Weltsicht, die uns in die Krise gestürzt hat, verobjektlicht die natürliche Welt. Sie betrachtet die Natur als eine Ansammlung unbelebter oder nur teilweise belebter Objekte, die wir Menschen ohne Weiteres nutzen können, um unseren Komfort und unser Wohlbefinden voranzubringen. Dies ist jedoch ein relativer neuer Ansatz in Bezug auf unsere Umgebung – er geht nicht weiter als bis zu den Anfängen der Landwirtschaft zurück. Die weitaus längere frühere Geschichte unserer Spezies wurde von einer ganz anderen Weltsicht bestimmt, die heute als „Animismus“ bekannt ist und die natürliche Umwelt nicht verobjektlichte. Der Animismus sieht nicht-menschliche Tiere, Pflanzen und andere Elemente der Natur und des Kosmos nicht als unterentwickelte oder inaktive Objekte, sondern als Wesen, die, wenngleich auf ganz andere Art und Weise als wir, lebendig und bewusst sind – als „gleichwertige Mitglieder an einem spirituellen runden Tisch“, um es mit den Worten des Historikers Yuval Noah Harari zu sagen.
Die animistische Weltwahrnehmung ist aber nicht nur Teil unserer Frühgeschichte als Spezies. Als Kinder nämlich mögen wir etwa einen Sturm durchaus als wütend oder einen Baum, der sich an einem sonnigen Tag im Wind wiegt, als glücklich empfunden haben, und wahrscheinlich haben wir ausgiebig mit Haustieren und auch mit ausgestopften Tieren kommuniziert; vielleicht sogar mit magischen Kieselsteinen […]