Wie wäre es, wenn deine spirituelle Suche endlich zu Ende wäre und du dein Ziel erreicht hättest? Wäre das nicht wunderschön? Dann könntest du dich entspannt ins Hier und Jetzt zurücklehnen und endlich nur noch da sein. Das wäre doch sehr befreiend, oder?!
Vor einigen Monaten nahm ich an einer Meditation teil. Darin stellte der Seminarleiter folgende Frage: „Was wäre dein größter Wunsch?“ Nachdem ich ein sehr anstrengendes Jahr der Wohnungssuche hinter mir hatte und endlich ein neues Zuhause gefunden hatte, in dem ich mich richtig wohlfühlte, kam mir sofort in den Sinn: „Ganz ankommen!“ „Auch in mir ankommen!“ Und noch bevor ich’s mich versehen konnte, sagte eine weitere Stimme in mir: „Ey, du bist schon längst da!“ Und gleich darauf tauchte ich in ein mir so vertrautes Gefühl von bedingungsloser Liebe und Stille ein. Das also war mein Zuhause!
Im nächsten Moment allerdings bekam ich einen großen Schrecken! Was würde das für mich in aller Konsequenz bedeuten? Würde das etwa heißen, dass meine spirituelle Suche zu Ende wäre?
Dass meine Identifikation mit mir als Suchende hier und heute aufhören würde?! Wenn ich nun wirklich einfach zu Hause angekommen wäre … Einfach so? Ohne Lehrer? Ohne Retreat? Ohne 108 Sonnengrüße?! Mich durchströmte ein Wechselbad der Gefühle, und ich musste lachen, weil mir in diesem Moment eine meiner Lieblingsgeschichten einfiel, die aus der Feder des indischen Dichter Rabindranath Tagore stammt. Frei nacherzählt, lautet sie so:
Der Suchende
Es war einmal ein Mann, der bereits viele Jahr mit sehr viel Hingabe und genauso viel Ehrgeiz und Ernst Gott suchte. Manchmal machte der Mann während der Meditation eine Erfahrung, die ihn erahnen ließ, wie sich Gott anfühlt. Auch in Momenten jenseits der Meditation, in denen er nicht an Gott dachte, sich aber in der Natur aufhielt und dort eins mit allem war, hatte er eine Ahnung von Gott. Aber sein Ziel, ihm von Angesicht zu Angesicht zu begegnen, erreichte er nicht. Und das, obwohl er sein ganzes Leben nur auf die Suche nach Gott ausgerichtet hatte.
Eines Tages, als er sich auf einer seiner entbehrungsreichen Wanderungen auf der Suche nach Gott befand, kam er an einem Berg vorbei. Er wanderte den Berg hinauf, und als er oben angekommen war, […]