Zen kann man nicht machen, nur leben. Ein »echtes« Erlebnis mit dem Zen-Meister Zensho in Wiesbaden.
Samstag Nachmittag, kurz vor 17 Uhr. Ich warte im Aufenthaltsraum des Zen-Zentrums Tao Chan in Wiesbaden auf den Beginn des Zen-Sesshins, als Zen-Meister Zensho in schlichter dunkler Kleidung eintritt. Alle Unterhaltungen verstummen. Mit seiner kraftvollen und lebendigen Ausstrahlung zieht der Meister sofort die Aufmerksamkeit der Anwesenden auf sich. Er lässt seinen Blick durch die Runde schweifen. Er ruft uns mit seiner einnehmenden Mischung aus Ernsthaftigkeit und Humor zur Meditationspraxis auf: »Jeder von euch hat die Möglichkeit, bei diesem Zen-Sesshin sein Wahres Wesen zu schauen. Ich bin bereit, euch alles zu geben. Jetzt liegt es an euch.« Er verlässt den Raum wieder. Das Läuten einer Glocke fordert uns zum Betreten der Meditationshalle auf.
In der Dharmahalle. Wieder wird eine Glocke geläutet, wir erheben uns. Die Glocke ertönt eine weiteres Mal. Zen-Meister Zensho betritt die Halle und schreitet würdig zum Altar, begleitet von Gongschlägen und dem Klang der Schlaghölzer. Er trägt jetzt sein feierliches Meistergewand und verneigt sich mit einem Gassho vor der Buddhastatue auf dem Altar. Anschließend geht er auf seinen Dharmasitz. Nach einer gegenseitigen Verneigung wird die Meditationshaltung eingenommen. Der Meister schlägt die Klangschalen an und leitet mit einer tiefen, ganz aus dem Bauch kommenden Rezitation die erste Sitzperiode ein. Der ganze Raum ist erfüllt von seiner kraftvollen Sammlung und spirituellen Energie.
Sesshinpraxis
Die grundlegende Übung während des Sesshins ist das Zazen, die Meditation auf dem Sitzkissen. Mit aufrechter Sitzhaltung geht es darum, Körper, Atem und Geist auf einen Punkt zu bringen. Gedanken sollen nicht unterdrückt, sondern angesehen und ziehen gelassen werden, ohne Bezug zu nehmen. Auch wenn Zen-Meister Zensho immer wieder die grundlegende Wichtigkeit der meditativen Übung auf dem Sitzkissen betont, lehnt er das reine Nur-Sitzen ab. Nicht die Quantität, sondern die Intensität der Meditation ist entscheidend: »Es geht nicht darum, stundenlang möglichst regungslos zu sitzen und alles Denken anzuhalten. Dann kommst du nur in die Leere des toten Nichts. Ihr sollt vielmehr solcherart leer werden, dass sich die göttliche Wirklichkeit, Liebe und Klarheit in euch ergießen kann.« Das Sesshin ist wie ein mystisches Vollbad, in dem ich mich ganz auf die göttliche Wirklichkeit einlassen kann, die sich durch den zu dieser Wirklichkeit […]