Die Angst vor Terroranschlägen und Amokläufen ist durch die zahlreichen schrecklichen Ereignisse der letzten Zeit stark angewachsen. Wie kann es uns gelingen, mit der ungewissen Situation umzugehen und ohne permanente Bedrückung zu leben?
In weiter Ferne höre ich eine Sirene und halte kurz inne. Ich atme bewusst ein und aus. Zum Glück ist es nur ein einziges Auto. Vielleicht ein Krankenwagen. Vielleicht ein Polizeiauto. Nachdem der Klang in die Ferne getragen wurde, atme ich noch einmal bewusst ein und aus. Die Sirene ist mein neuer Achtsamkeitsanker geworden. Seit Freitag, dem 22. Juli 2016, habe ich nämlich eine andere Beziehung zu Sirenen, zum Leben und zum Tod. Denn an dem Tag geschah das Attentat im Münchener OEZ, nicht weit entfernt von meiner Wohnung.
An jenem Freitag hörte ich ebenfalls Sirenen. Zuerst waren es vereinzelte Polizeiautos. Und dann wurden es immer mehr. Krankenwagen kamen hinzu. Vielleicht waren sie auf der Suche nach Attentätern, vielleicht fuhren sie aber auch Verletzte in Krankenhäuser hier in der Nähe. Ich konnte sie nicht sehen. Allein ihr durchdringendes Horn sorgte dafür, dass unangenehme Bilder in meinem Kopf produziert wurden und mein ganzes System lähmten. Wie paralysiert schaute ich immer wieder auf mein iPad, um mich darüber zu informieren, was gerade genau am OEZ passierte. Klar war jedoch schnell, dass mehrere Menschen erschossen worden waren.
Inzwischen hat sich das Leben in München scheinbar wieder normalisiert. Trotzdem ist die Sorge, dass es in München erneut zu einem Attentat kommen könnte, omnipräsent. Was aber können wir tun, wenn wieder ein psychisch kranker oder radikalisierter Jugendlicher einen Amoklauf macht, oder eine Gruppe von Terroristen versucht, Menschen, die in Freiheit leben möchten, umzubringen?
Ruhe bewahren
Wenn ich nach einer Antwort suche, kommt mir immer wieder die Bhagavad-Gita, eine der wichtigsten spirituellen Schriften, in den Sinn. Es ist die Geschichte des Kriegers Arjuna, der in einem Erbfolgekrieg auf dem Schlachtfeld steht und gegen seine Verwandten kämpfen muss und nicht will. Er sieht sich mit einer Situation konfrontiert, die ihm zutiefst zuwider ist. Er weiß genau, dass er in den Krieg ziehen muss und dass es viel Blutvergießen geben wird. Arjuna sieht sich auch mit der eigenen Sterblichkeit konfrontiert, und ebenso mit der Vergänglichkeit der Menschen, die er liebt und die ihm wichtig […]