… im Yoga und in der Politik – und warum Gleichmut nicht mit Gleichgültigkeit oder mit Fatalismus verwechselt werden sollte.
Es geschah Mitte Januar 2019, während einer Brexit-Debatte im britischen Unterhaus. Ein Abgeordneter ereiferte sich in seiner Wortmeldung allzu sehr über irgendeinen Sachverhalt, woraufhin John Bercow, der Sprecher des Hauses, ihn unterbrach und mit weisem Lächeln betont langsam sagte: „Get a grip of yourself, calm, take up yoga, you will find it beneficial, man!“ Er solle sich also beruhigen und sich dem Yoga zuwenden, das würde ihm bestimmt guttun. Diese etwas ungewöhnliche Belehrung seitens eines britischen Parlamentspräsidenten zeigt, dass Yoga auch in Teilen des politischen Mainstream angekommen ist und dort mit bestimmten Wertvorstellungen verbunden wird.
Aber es gibt auch ganz andere Ratschläge an Politiker und Entscheider, wie z.B. jenen der jungen schwedischen Umweltaktivistin Greta Thunberg, die den Mächtigen der Erde beim Weltwirtschaftsforum in Davos im Februar 2019 ins Gesicht sagte: „Ich möchte, dass Ihr in Panik geratet.“ Das wäre das genaue Gegenteil von Gelassenheit, und daher muss geklärt werden, ob Seelenruhe immer und überall der rechte Kompass im Leben ist.
„Gleichmut“ in der Yoga-Tradition
Wir werfen zunächst einen Blick auf die Sanskrit-Quellentexte, wo es zahlreiche Entsprechungen für diesen Begriff gibt. Am bekanntesten sind Sama-tva und Sama-tā, beide bedeuten wörtlich „Gleich-heit“. Die wichtigsten Zitate zum Thema finden sich im 2. Kapitel der Bhagavadgita, das den Titel Sankhya-Yoga trägt, wobei Sankhya hier Erkenntnis bedeutet. Es wird der Atman angesprochen, das spirituelle Selbst. Es gewährt die Kontinuität in den Wechselfällen eines menschlichen Lebens, und in den Versen 14–15 erklärt Krishna:
Die Kontakte mit den Objekten, welche Kälte und Hitze, Freude und Schmerz hervorrufen, kommen und gehen, sie sind nicht von Dauer. Ertrage sie standhaft, Arjuna.
Jener Mensch, den sie nicht aus der Ruhe bringen, der ausgeglichen in Freude und Schmerz ist und unerschütterlich, vermag Unsterblichkeit zu erlangen.
Der gleichmütige Mensch, so heißt es weiter, ist frei von Anhaftung, Furcht und Zorn. Er vermag seine Sinne von den Objekten zu lösen wie eine Schildkröte, die ihre Glieder von allen Seiten her einzieht. Aber beständige Übung sei erforderlich, um die letztliche Meisterung zu erlangen, verbunden mit Frieden und innerer Heiterkeit. In Vers 2.48 findet sich das bekannte Mantra samatvam yoga uchyate, „Gleichmut […]