Bequemer Advaita für den westlichen Geschmack = authentischer Weg zur Erleuchtung? Erfahrungen mit H.W.L. Poonja.
Indien hat zu jeder Zeit große spirituelle Lehrer hervorgebracht. In den vergangenen Jahrzehnten tauchte jedoch ein neuartiges Phänomen auf: Gurus, die fast ausschließlich Leute aus dem Westen anziehen und von ihren indischen Landsleuten nur wenig beachtet werden. Sie vertreten Advaita Vedanta, zweifellos die höchste Weisheit, doch stellen sie diese Weisheit oft als ausgesprochen logisch dar – ganz im Einklang mit der westlichen Denkweise, die der Logik traditionell den höchsten Stellenwert zuordnet. Doch selbst Logik steht der Realisation, wer man in Essenz wirklich ist, nur im Weg.
H.W.L. Poonja war in den 90er Jahren nach dem Tod von Osho zum Hauptanziehungspunkt für Westler in Indien geworden. Er lebte in Lucknow, der Hauptstadt von Uttar Pradesh, dem bevölkerungsreichsten Staat Indiens. Viele Osho-Anhänger zogen damals von Puna nach Lucknow um. Es erschienen mehrere Bücher über Poonja, und er war als Guru unter Westlern plötzlich ‚in’. Und angeblich wurden einige seiner Schüler erleuchtet und von ihm autorisiert, selber eine Guru Rolle zu spielen.
Auch ich suchte ihn im April 1994 in Lucknow auf. Ich kam an einem Sonntag früh an und nahm eine Autorikscha direkt zum Zentrum von Poonja, denn um diese Zeit gab er Darshan, hatte ich gehört. Doch ein Guru war weit und breit nicht zu sehen. Stattdessen war die Halle zu einem Bazar umfunktioniert und voller Westler in ausgefallener Hippie Mode. Es gab lange Kleider, Röcke, Hosen, Blusen, Schmuck, aber auch braunes Brot und andere hausgebackenen Leckereien zu kaufen. Einige seiner Anhänger besserten auf diese Weise ihre Finanzen auf.
Ich fand in der Nähe Unterkunft in einem Privathaus, das eine Deutsche angemietet hatte. Sie lebte davon, Zimmer an Besucher von Poonja zu vermieten. Ein Brasilianer zog ebenfalls gerade ein. Er war neu in Indien, und wir bildeten für die vier Tage, die wir in Lucknow waren, ein gutes Team. Ich profitierte von männlicher Begleitung, wenn wir abends in der Stadt an irgendwelchen Buden aßen, und er profitierte davon, dass ich mich nach damals bereits 15 Jahren in Indien relativ gut auskannte und ihm gute Tipps geben
konnte.
Wir waren außerdem beide keine Anhänger von Poonja und damit in der Minderheit. Am nächsten Morgen drängten […]