Wenn alle Fragen verstummen und der Verstand still wird, dann ist die Unendlichkeit ganz präsent – und im Herzen so tief spürbar, dass jegliches Verstehenwollen überflüssig wird.
Es scheint mir, dass die Menschenwelt krankt am Mangel an Identität. Wo ich auch hinsehe, fällt es mir ins Auge, dieses rastlose Suchen nach dem, wo wir hingehören, und dem, wo wir herkommen. Erklärungsversuche, einer abenteuerlicher als der andere, und gleichzeitig sterben die Menschen an Hunger, sterben Flüsse und Wälder, sind unendlich viele Menschen so krank an Körper und Seele. In vielen Kleidern präsentieren sich die Gedankenwelten, die Konstrukte der Geschichten, wie es sein könnte – so wirklich erscheinen sie mitunter. Aber wenn ich die Kleider niederreiße, ist kein Körper darunter, nichts, was ich greifen könnte. Vorstellungen, übernommene Ideen – uralt zum Teil. Ich komme dem Wahnsinn nahe, und es fehlt mir der Boden.
Mit meinem unausgebildeten Verstandeswerkzeug möchte ich die Unendlichkeit des vielleicht nie zu Wissenden begreifen. Diese Sehnsucht scheint mir eingebrannt. Und einhergehend mit diesem Geschenk des Geistes, das mir manchmal wie ein Fluch anmutet, fühle ich mich wie eine Schülerin ohne Lehrmeister. Flüchtig ist der Hauch, der mich streift und über alles, was ich je dachte, einen Mantel aus Schweigen legt.
Ich will leer werden, alles vergessen, was ich gehört habe, alles hinter mir lassen, was mich geprägt hat. Ich will es sein lassen, das ständige Urteilen, Einteilen und Zerteilen von Gehörtem. Ich will mich lösen von allen Ideen und Vorstellungen, all die Bilder löschen, die mir vorspiegeln, so sei es.
Und was bleibt dann übrig? Das einmal nur für einen Moment zu ahnen, danach sehne ich mich und fürchte es gleichzeitig.
Ich weiß gar nichts, jedenfalls nichts, was ich erklären kann mit diesen Worten, die mir immer unzulänglicher erscheinen, um der Wahrheit näherzukommen. Das wird mir immer klarer, und manchmal mag ich schier verstummen. Und dennoch wurde sie mir ins Herz gelegt, diese Gabe der Worte, dieses Geschenk der Sprache, Geschichten zu erzählen, um der Sehnsucht Ausdruck zu verleihen und um der Tiefe, die in mir und allem wohnt, ein Kleid anzuziehen. Und woher sollte ich es nehmen, dieses bunte Garn, wenn nicht die Fäden, die ich verweben darf, schon von anderen gesponnen worden wären? Wovon erzählen, wenn nicht […]