Ein Ashram-Aufenthalt in Indien kann die Perspektive grundlegend verändern – so geschehen bei Nina Schweser, die hier von ihren Erlebnissen erzählt.
Als ich mich auf die Reise nach Indien begebe, spüre ich, dass ich dieses Land entweder hassen oder lieben werde. Denn es ist ein Ort der Extreme, so magisch, bunt und lebendig wie auch arm, traurig und trist. Um Indien zu verstehen, muss man hinter seine Fassade blicken, bis tief ins Innere des Landes eindringen, um den verborgenen Reichtum zu entdecken, dessen Wert unbezahlbar ist. Es ist die äußere Reise, die zu einem Ort im Inneren führt, der auf keiner Karte dieser Welt zu finden ist und dennoch das gesamte Universum umfasst. Viele Suchende, so genannte Seeker, kommen nach Indien, um den Weg zu finden, Antworten, eine Wahrheit fernab von Konventionen und sozialen Programmierungen. Ich bin eine von ihnen, und das Leben hat mich aus meinem gewohnten Umfeld, der bekannten Komfortzone, ins Nirgendwo – in einen Ashram in Indien – geführt. Das Einzige, was ich zu diesem Zeitpunkt weiß, ist, dass ich nichts weiß und alles, was ich je zu wissen dachte, nicht existiert. Ich spreche hier von dem Mechanismus des Verstandes, der eine Realität erschafft, die aus Fiktionen und Illusionen besteht. Eine subjektive Wahrnehmung der Wirklichkeit, entstanden aufgrund von verschiedenen Faktoren und Umständen. Geprägt durch die Herkunft, die Eltern, Erfahrungen aus der Kindheit, soziale Bedingungen und die Sicht anderer. Diese ineinandergreifenden Fäden stricken ein Bild von unserem Selbst, die äußere Persönlichkeit, die, wie das Wort „Persona“ – „Maske“ – schon sagt, nur eine Hülle ist, hinter der sich das Ich, die Individualität, verbirgt. „Das Ziel ist es, niemand zu werden, vom Tun zum Nicht-Tun zu wechseln, für eine Zeit aus dem Leben hinauszutreten, anzuhalten, um danach zurückzukehren – verändert.“ Das hat mein Mentor zu mir gesagt, kurz bevor ich nach Indien aufgebrochen bin, um hier mit den Meistern Meditation zu praktizieren. Die Worte hallen noch für eine ganze Weile in meinem Kopf nach, bis ich begreife, dass Loslassen die erste Lektion auf dem Weg ist: frei zu werden von persönlichen Mustern und Ansichten, von allem, was man dachte zu wissen und zu sein.
‚Das, wohin du deine Aufmerksamkeit lenkst, wird wachsen‘, so sagt […]