Sein Leben der Spiritualität zu widmen ist gut und schön. Aber bei manchen Menschen scheint es, als müssten andere im wörtlichen Sinne dafür bezahlen. Ein Fallbeispiel
Klaus ist ein Freund von mir. Wir kennen uns schon seit 20 Jahren. Früher hat er als Verfahrenstechniker gearbeitet. Mit 30 Jahren geriet er in eine Krise und hat nach dem Sinn seines Lebens gesucht. Auf Anraten eines Freundes besuchte er einen Ashram in Indien und hatte dort eine sehr tiefe spirituelle Einheitserfahrung: Alles ist miteinander verbunden! Alles ist eins! Diese Erfahrung hat sein Leben verändert. Sie brachte ihn zur Spiritualität und zum Yoga. Kurz darauf machte er sogar berufsbegleitend eine
Yogalehrerausbildung. Dann gab er seinen Job als Verfahrenstechniker auf, weil er nur noch das tun wollte, was ihn erfüllt. Und er wollte mehr von diesem Gefühl der Einheit erfahren.
Klaus ist sehr sportlich, sein Körper gut durchtrainiert. Seiner körperlichen Konstitution nach könnte Klaus vieles machen. Aber er möchte eben nur als Yogalehrer arbeiten. Als Yogalehrer arbeitet Klaus hier und da in einem Fitnessstudio, kann aber nicht sonderlich gut davon leben. Jobs, die nichts mit seiner inneren Bestimmung zu tun haben, möchte er nicht mehr machen. Mein Vorschlag, eine Zeit lang kellnern zu gehen, um wenigstens einigermaßen über die Runden zu kommen, negiert er mit bösem Blick. Auch meinen Einwand, dass jeder Ort der richtige Ort ist, um spirituell zu praktizieren – egal ob als Kellner, Fahrer oder als Kassierer oder einfach wieder in seinem alten Beruf –, will er nicht hören. Wie gesagt, er möchte nur noch das tun, was ihn innerlich nährt, innerlich bereichert, innerlich erfüllt.
Obwohl Klaus nicht arbeitet, ist sein Tag erfüllt: mit Yogapraxis, Meditation, Studium der Bhagavadgita und Bewerbungen schreiben. Allerdings sind es wenige Bewerbungen, weil es so viele gute Jobs nicht gibt, die seiner Meinung nach wirklich zu ihm passen. Fernsehen schauen oder Zeitung lesen, um sich gesellschaftlich, politisch, wirtschaftlich auf dem Laufenden zu halten, lehnt er ab; solche Nachrichten, sagt er, bringen ihn nur schlecht drauf.
Neulich haben Klaus und ich uns wieder mal getroffen. Er erzählt mir, dass er Hartz IV beantragt hat und vor ein paar Wochen eine Nachzahlung von 4.000,- Euro erhalten hat. Klaus freut sich darüber. Jetzt fühlt er sich nicht mehr […]