Die Angst vor der Stille verlieren – warum es so wertvoll ist, Phasen der stillen Einkehr zuzulassen, und warum wir sie dennoch zunächst als herausfordernd empfinden.
„Noch nie fand ich den Gesellschafter, der so gesellig war wie die Einsamkeit.“
Henry David Thoreau
Mit diesem Zitat beginnt das Buch Medalges. Ein Jahr Einsamkeit in den Dolomiten von Jürgen König. In den 1980er Jahren erfüllte der Autor sich einen lange gehegten Traum: Er klinkte sich ein Jahr lang aus der Zivilisation aus und zog in eine einsame Hütte hoch oben in den italienischen Alpen. Dort wollte er ohne Uhr, Fernsehen, Radio oder Zeitung im Einklang mit der Natur leben. Jürgen König war in erster Linie neugierig. Er wollte sich selbst erforschen, und beobachten, was mit ihm geschehen würde, wenn die äußeren Ablenkungen und Anforderungen des Alltags nicht mehr präsent sind. Er wollte erkennen, wer er dann ist, oder wer er vielleicht durch diese Grenzerfahrung werden würde. Und ob er überhaupt in der Lage war, dieses einsame, asketische Jahr in den Bergen durchzustehen.
Jürgen König war kein Mönch oder Yogi. Er hatte keine Meditationserfahrung und war noch nicht einmal sonderlich spirituell. Stattdessen trank der Journalist aus München gerne Schnaps, aß Fleisch und liebte die weltlichen Genüsse. Selbst die Südtiroler hielten ihn für wahnsinnig, denn die abgelegene, spartanische Hütte, die er sich ausgesucht hatte, musste erst winterfest gemacht werden. Feuerholz sowie Nahrungsmittel für ein Jahr mussten irgendwie auf den Berg geschleppt werden, denn im Winter – der dort etwa neun Monate dauern kann – würde er eingeschneit und von der Außenwelt abgeschnitten sein. Handys gab es noch keine, und er würde auf sich selbst gestellt sein. Trotz aller Warnungen und logistischer Herausforderungen ließ er sich nicht von seinem Vorhaben abbringen und begann sein ungewöhnliches Abenteuer an einem verschneiten Tag im Mai.
Seine Erlebnisse, Erfahrungen, Gedanken und Gefühle brachte er zu Papier. Und er begann auch, über die Stille zu schreiben: „Die Stille! Zum ersten Mal fühle ich, wie sie mich einhüllt. Sie ist unangenehm, ganz anders, als ich sie mir vorgestellt hatte, blutleer und fremd. Vielleicht sollte ich mir nicht so sehr Sorgen machen wegen meiner […]