Was ist die eigentliche Identität des Menschen?
Nur wenigen Menschen ist es vergönnt, Stille erfahren zu können. Anhaltende Stille, reines Sein – kein Gedanke, kein Gefühl, nur die Erfahrung von Existenz. Erleuchtete sprechen davon, Mystiker, Zen-Meister. Keine Meditationstechnik gibt jedoch die Gewähr, dass es einmal still werden wird in uns. Niemand kann es einem beibringen. In diesem allerinnersten Bereich ist man ganz allein und auf sich gestellt. Dort findet Selbsterkenntnis im tiefsten Sinne statt.
Dass wir dieses Stillsein in uns nicht erreichen, liegt hauptsächlich daran, dass wir unsere Gedanken mit unserem eigentlichen Ich verwechseln. So wie es schon Patanjali sinngemäß am Anfang des Yoga-Sutra sagt: „Yoga lässt das Bewusstsein zur Ruhe kommen.
Dann erkennt der Mensch sein eigentliches Wesen. Ansonsten definiert er sich über seine Bewusstseinsinhalte.“
Es ist immer etwas los in unserem Gehirn. Sogar im Schlaf, aber auf jeden Fall im Wachzustand, erleben wir ständig etwas in uns. Es sind fast ausschließlich in Worte gefasste Gedanken, die im Bewusstsein auftauchen. Entweder tauchen Erinnerungen auf oder wir planen und denken an die Zukunft, so wie unser Gehirn sie sich ausmalt. Selten ist es so, dass wir uns bewusst entscheiden, an ein bestimmtes Ereignis oder eine zu bewältigende Aufgabe zu denken. Fast immer geschieht das Denken von alleine und wir erleben es.
Oft fühlt man sich gequält von diesem ständigen Geplapper, von seinen eigenen Ängsten oder Sorgen. Selbst die ganz klare Einsicht, dass das Denken an eine gewisse Sache jetzt überhaupt keinen Sinn hat, vollkommen nutzlos ist, hilft in der Regel nicht, es zu
beenden. Wir sagen zwar, „ich denke das“, tatsächlich denkt jedoch das Gehirn, ohne dass wir uns dafür entschieden haben zu denken. Das Gehirn macht, was es will.
Hier begegnen wir einem Konflikt, einem Widerspruch, den kaum ein Mensch je löst. Einerseits empfinde ich mich als ein autonomes Wesen. Ich habe den Eindruck, dass ich mich entscheiden kann, etwas zu tun, an etwas Bestimmtes zu denken oder über etwas
nachzudenken. Ich scheine darin einen eigenen Willen zu haben und eine Freiheit. Ich verfüge in einem gewissen Rahmen über meinen Körper und mein Gehirn.
Andererseits sind sowohl mein Körper als auch mein Gehirn auch selbstständig tätig. Mein Herz schlägt, ohne dass ich es bestimme, und unzählige körperliche Prozesse finden […]