Teil 2 von: Wie der Yoga in den Westen kam und zu dem wurde, was er nie sein wollte…
Ursprüngliches und eigentliches Ziel des Yoga ist es, die Dualitäten zu überwinden. Dabei gilt es zu erkennen, dass wir weit aus mehr sind als unser Name, unser Beruf, unser Status und unser Körper. Es gilt auch zu erkennen, dass wir weit aus mehr sind als Individuen oder Egozentriker, die sich und ihre subjektive Wahrnehmung als den Nabel der Welt betrachten und entsprechend leben und glauben. Und es gilt zu erkennen, das wir gleichzeitig alles und nichts sind, weder unser Name, weder unser Beruf oder unser Körper – noch unsere Weltanschauung.
Erreicht man das yogische Ziel – selbst wenn es nur für einen kurzen Moment ist – dann hebt sich die vom Verstand konstruierte Trennung zwischen Du und Ich, zwischen Ich und der Welt, zwischen profan und sakral auf. Und deutlich wird, dass Yoga gelebte Spiritualität ist, die jeden Moment im Leben stattfindet und es auch keinen Unterschied mehr gibt zwischen der Praxis auf der Yogamatte oder dem Meditationskissen und der Praxis des Yoga im Alltag. Die Voraussetzung für das Erreichen dieser Erkenntnis ist das Zur-Ruhe-Kommen-des-Geistes, der meistens zwischen zahllosen Gedanken hin- und hergeschleudert wird und sich in den Aktivitäten unzähliger Handlungen verliert, die damit beschäftigt sind, ihm eine vollständige Identifikation mit einem Namen, einem Beruf, einem Status, dem Ego oder mit dem Körper vorzugaukeln.
Eine Hilfestellung zur Beruhigung des Geistes stellt das Yogasutra des Patanjali dar, in dem die Funktionsweise des Geistes kurz und präzise dargestellt wird. Mit dem im Sutra aufgeführten achtstufigen Pfad erhält der Yogapraktizierende ein praktisches Werkzeug an die Hand, das ihn Schritt für Schritt darin unterweist, den Geist zu beruhigen und Einblick zu erhalten in seine wahre Wesensnatur: unendliches nonduales Bewusstsein! Diese unmittelbare Erfahrung seiner Selbst stellt auch eine Möglichkeit dar, ein yogisches Bewusstsein zu entwickeln und alle Aspekte des yogischen Pfades – wie Umgang mit sich selbst und anderen, Atmung, Meditation, Rückzug der Sinne usw. – zu gleichen Teilen in den Alltag zu integrieren. Gleichmut und Disziplin stellen hier das grundlegende Werkzeug dar. Aber auch andere Schriften aus dem Yoga wie die Veden und die Upanishaden lehren die tiefgreifende und alles umfassende Spiritualität des […]