Momentaufnahme eines Liebeskunstwerks: wie eine indische Familie die westliche Geliebte des Mannes, eines Lehrers des traditionellen tantrischen Yoga, harmonisch in die Familienstrukturen integriert.
Goa, Palolem, April 2017
Ich suche eine traditionelle Yogaschule. „Ajay Sharma ist gut, ihm gehört Gurukul. Aber er ist so ein Aufreißer-Guru, im Moment sehe ich ihn immer auf seinem Motorrad mit einer blonden Schönheit, ja ja. Sie tut mir leid, sie wird auch noch auf die Welt kommen, das junge Ding“, seufzt eine Schülerin von Ajay. Und sie scheint ein wenig eifersüchtig zu sein.
Das ist sicher nicht der Lehrer, den ich suche, davon gibt es nur allzu viele. Aber sein Name fällt des Öfteren, er scheint einer der wenigen zu sein, die die Tradition leben und lehren.
Also gehe ich hin und erlebe eine Yogastunde, die mich beeindruckt: Ajay tanzt durch die Asanas, hat eine leichte, klare, männliche meditative Energie. Nicht nur die Asanas, sondern jede kleinste Bewegung, jeder Übergang ist bewusst gestaltet. So kreiert er eine kristalline Leichtigkeit, verstärkt durch die Selbstverständlichkeit, mit der er gesprochene Teachings einfließen lässt, in denen er die Weisheit der Veden für das alltägliche Leben anwendbar macht. Es ist ein Fluss, es wird nicht angehalten, um jemanden zu „verbessern“ – im Vertrauen darauf, dass sich die Asanas mit zunehmendem Bewusstsein im Körper manifestieren. Sein Yoga ist zwar etwas schneller im Ablauf als der traditionelle Kaula-Tantra-Yoga, den ich lehre, aber es ist eindeutig derselbe Ansatz: Das Tun im Nicht-Tun zu praktizieren, damit Körper, Geist und Seele zusammenfließen.
Die blonde Zerstörerin
Am Strand höre ich die Geschichte mit der jungen Blonden mit umgekehrten Vorzeichen: Jetzt ist Ajay das Opfer, das in die Hände einer dieser jungen westlichen Aufreißerinnen gefallen ist.
„Ihr wisst nicht, was das für eine wunderbare, heile traditionelle Familie war: Pooja, seine Frau, ist so sanft und schön, seine zwei Söhne gehen auf eine klassische Schule im Himalaya, um die vedische Tradition zu lernen. Ajay ist so ein begnadeter Lehrer und Familienvater, ein Brahmane, ich fühlte mich als Teil dieser Familie, habe sie so bewundert – und jetzt ist da diese Zerstörerin eingefallen und hat den armen Ajay bezirzt.“ Die empörte Engländerin weiß, wovon sie redet, „Schließlich komme ich seit Jahren nach Gurukul, um Yoga zu machen […]