Über die in den Veden beschriebene große Pilgerschaft von Agni, dem göttlichen Urfeuer – das Wiederfinden des Seelen-Lichts, das in unserem Inneren und in der Erde brennt.
Evolvieren bedeutet, die Materie bearbeiten, nicht in den Himmel entschwinden. 1
– Satprem
Nicht nur wir Menschen entwickeln uns im Laufe unseres Lebens, oder vielleicht auch im Laufe vieler Erdenleben, sondern auch die Erde selbst entwickelt sich. Es ist das Bewusstsein der Erde, das immer komplexer wird, damit sich schließlich das höchste Bewusstsein – Gott – auch hier, in der physischen Welt, offenbaren kann. Dieser Prozess ist an die Vollendung und Vergöttlichung des Menschen gebunden. Daher kommt dem Menschen eine besondere Rolle zu, denn er ist es, der in einer Welt der Dunkelheit in sich selbst das göttliche Licht wiederfinden muss – seine Seele: jenes Feuer, das ebenso in ihm wie auch im Innersten eines jeden Atoms brennt. Sehr anschaulich wird dieser Prozess des Wiederfindens des göttlichen Feuers in den Hymnen des indischen Rg-Veda beschrieben, der – als einer von insgesamt vier Veden – als der älteste noch erhaltene Text Indiens gilt. Dies zeigt, dass der Weg zum inneren Licht seinen Verfassern, den weisen Rshis, vor rund siebentausend Jahren schon bekannt war – lange, bevor die Menschheit in der Dunkelheit versank. Und vielleicht wurde ja die Wahrheit, das Wissen (auf Sanskrit: Veda), in dieser heiligen Schrift für die Menschen aufgehoben, um sie so durch die Zeiten der Finsternis hindurch zu retten, gleichsam einer Arche in der Sintflut.
Die Reise des Seelen-Lichts
Liest man den Rg-Veda allerdings ohne Interpretationshilfe, so sind seine Symbole und Metaphern für den heutigen Geist schwer bis gar nicht zu verstehen. Allzu seltsam mutet es an, wenn ein seit Jahrtausenden verschollenes Hirtenvolk seine Götter mit reichlich gepresstem Soma-Trank zu ihrem Rausch herbeilockt und ihre Streitwagen von „butterrückigen“ Pferden gezogen werden. Oder wenn mit dunklen Feinden um die Herausgabe von „rötlichen Kühen“, den „Herden der Sonne“, gekämpft wird, und um die Freilegung eines „Honigbrunnens“ unter einem Felsen. Es war Sri Aurobindo, dem es gelang, „das Geheimnis des Veda“ in seinem gleichnamigen Buch auf einzigartige Weise zu entschlüsseln und psychologisch zu deuten. Seiner Ansicht nach vermittelt der Veda die höchste dem Menschen mögliche spirituelle Wahrheit. Im erhellenden Licht dieser Interpretation, auf die ich mich im Folgenden […]