Mit Sutra 1:36 in den Lotus des Herzens: der Weg in einen Zustand von sorgenloser Freude und strahlendem innerem Leuchten.
Der Zustand des Bewusstseins, welcher frei ist von Leiden und Angst und zugleich erfüllt mit innerem Licht, verankert den Geist ebenfalls in Sthiti, dem friedvollen Fluss frei von allen Gedanken-konstruktionen.
Yoga-Sutra 1:36
Yoga-Sutra 1:36 scheint eines der einfachsten Sutras zu sein, aber es ist tatsächlich das kryptischste und tiefste. Für einen oberflächlichen Leser scheint dieses Sutra lediglich zu sagen, dass ein Geist ohne Sorgen und Trauer, der von innerem Licht durchdrungen ist, automatisch friedlich nach innen fließt. Aber in der Shri-Vidya-Tradition gilt dieses Sutra als der Kern des gesamten Textes. Hier schreibt Patanjali erstmals einen Sadhana-Kurs vor – eine umfassende, gut definierte Praxis.
In den ersten dreiunddreißig Sutras schuf er einen Kontext für die Einführung eines Übungssystems, indem er die allgemeinen Qualitäten und Eigenschaften von Praxis beschrieb. Er erklärte, wie man beurteilt, ob eine Praxis von hoher Qualität ist oder nicht, aber er sagte uns nicht genau, welche Praxis zu üben sei. In diesem Sutra identifiziert Patanjali eine präzise Praxis – eine mit einem klar definierten Ziel –, aber er tut dies in einer sehr kryptischen Sprache. Erst wenn sein Kommentator Vyasa dieses Sutra entschlüsselt, beginnt sich der Inhalt zu offenbaren.
Vyasa entwirrt dieses Sutra, indem er die Phrasen hrdaya-pundarike dharayato am Anfang und pravrttirutpanna manasah sthiti-nibandhini am Ende hinzufügt. Dieser letzte Satz wird aus dem vorherigen Sutra übernommen. So lautet das Sutra nun: hrdaya-pundarike dharayato vishoka va jyotishmati pravrttirutpanna manasah sthiti-nibandhini. Dies kann übersetzt werden als: „Durch die Konzentration auf den Lotus des Herzens entsteht ein Zustand der sorgenfreien Freude [vishoka], der von innerem Licht durchdrungen ist [jyotishmati]. Durch seine Entstehung verankert ein solcher Zustand den Geist in einem friedlichen Fluss, frei von allen Gedankenkonstrukten [sthiti].“ Vyasa schreibt seinen Kommentar zu dieser erweiterten Version, aber dieser ist fast so kryptisch wie Patanjalis ursprüngliches Sutra. Er kann nur dann vollständig verstanden werden, wenn er von einer lebendigen Tradition interpretiert wird.
Vyasa erzählt uns, dass die Meditation über den Lotus des Herzens uns in zwei einzigartige Zustände führt: Vishoka und Jyotishmati. Vishoka ist ein Zustand, in dem es keine Spur von Trauer und Qualen (Shoka) gibt. In […]